Jürgen Roloff: Neukirchner Arbeitsbuch Neues Testament: Auferstehung

Die Behandlung des Themas Auferstehung steht in der Gefahr mit weltanschaulichen Vorentscheidungen belastet zu werden. Auferstehung beinhaltet zwei Sichtweisen: historisches Ereignis, d.h. genau fixierter Vorgang durch Zeit, Ort und Personenkreis; eschatologisch, d.h. ein Ereignis das die Geschichte durchbricht, im NT durch die Sprache der Auferstehungsberichte im weitesten Sinn.
Um zu erkunden was im NT über Auferstehung gesagt wird ist eine genaue exegetische Analyse und die Vermeidung der Vermischung mit systematischen Überlegungen notwendig.

Quellen
Formeltraditionen und Ostererzählungen

Formeltraditionen
Formeltraditionen sind z.B. 1Kor153b-5. 1Kor153b-5 ist das wichtigste Auferstehungzeugnis überhaupt, aufgrund des Alters und dem sachlichen Gewicht das es bei Paulus hat. Christus ist gestorben für unsere Sünden nach der Schrift und ist begraben worden. Er ist auferweckt worden am dritten Tage nach der Schrift und ist Kephas erschienen, danach den Zwölfen. Die Analyse, die Roloff bietet,
zeigt: Das Interpretament nach der Schrift bezieht sich auf nicht auf das vorhergehende Interpretament für unsere Sünde oder am dritten Tage, sondern auf das gestorben und auferweckt. Begraben und erschienen sind Bestätigungen bzw. äußere Manifestationen des Sterbens und des Auferwecktseins. Das Erscheinen benötigt im griechischen ein Objekt. Und das Erscheinen erfolgte zuerst dem Kephas und dann danach den Zwölfen (zeitliche Abfolge).
Altes Traditionsgut
ist in kurzen Monologen und Glaubensformeln erhalten. Wobei Gott der Handelnde ist Röm109, 1Thess110, Röm424, Gal11 oder Christus Röm425, 1Thess414, Röm149 Kontrastformeln
Gegenüberstellung von Tod Jesu durch das Unheilshandeln der Menschen und Auferweckung Jesu durch Gottes Heilshandeln Apg223f,315,410,530,1039f. Hinweis auf Zeugen Apg315,532,1039f und Schriftbeweis Apg225-28,411 sind tragende Strukturelemente.

Ostererzählungen
zeigen eine späteres Überlieferungstadium als die Formeltradition.
Erzählungen vom leeren Grab Mk161-8, Mt281-8, Lk241-12, Joh201-13
Bei Mk Zeitangabe und Begründung des Grabbesuches der Frauen, Leerfindung des Grabes, Erscheinung des Deuteengels mit der Auferstehungsbotschaft und Auftrag an die Jünger und Petrus, Nichtbefolgung des Auftrages und Flucht der Frauen.
Erweiterung um die Erscheinung des Auferstandenen Mt289f und Joh2014-18
Umkehrung der Nichtbefolgung des Auftrags in prompte Befolgung Mt288, Lk249, Joh2018
Feststellung des leeren Grabes durch Petrus und den Lieblingsjünger bei Joh. Frauen können nach jüdischen Recht nicht als Zeugen dienen.
Erzählungen von einer Erscheinung vor dem Zwölferkreis Mt2816-20, Lk2436-53, Joh2019-23
sog. Grupenerscheinungen. Die gemeinsamen Strukturmerkmale sind:
Den ratlosen und furchtsamen Jüngern erscheint der Auferstanden, Nichterkennen bzw. durch Erkennen Steigerung der Furcht;
Erst durch Anrede des Auferstandenen kommt es zum Erkennen
Mittelpunkt und Abschluß bildet jeweils ein Sendungswort mit konkreten Auftrag und Beistands-verheißung.
Die Erweiterung um das Vorzeigen der Wundmale und das Betasten scheinen spätere Züge apologetisch-antidoketischer Herkunft zu sein.
Erzählungen von Erscheinungen vor einzelnen Jüngern
Die Erzählungen sind novellisch angelegt. Ziel der Emmaus-Geschichte Lk2413-35 ist es die Erfüllung der Verheißungsgeschichte des AT  und das ausschließliche Finden- lassen des Auferstandenen im Hören der Verheißungsgeschichte aufzuzeigen, Ziel der Thomas-Erzählung Joh2024-29 ist die Frage der 2. Generation nach der Auferstehungsgewißheit "Selig sind die, die nicht sehen und doch glauben " und das Ziel der Petrus-Erzählung Joh2115-23 liegt in dem Aufweis der Treue des Auferstandenen zu den Seinen.

Vorstellungshintergrund und sprachliche Mittel

Alttestamentlich-jüdisches Erbe
Ausgehend von der Vorstellung eines ganzheitlichen Gottesverhältnisses kennt das At keine Auferstehungshoffnung, wohl aber einen umgreifenden Tun-Ergehens-Zusammenhang, dieser Tun-Ergehens-Zusammenhang wird schließlich auch auf den Tod ausgeweitet. So kommt es in Psalmen und der Apokalyptik zu Reden von der Auferstehung Ps7323-26, Jes53, Dan121f, äthHen 9110f,923-5 4Esr726-44, Bar301-5.
 Verkündigung Jesu
Das Streitgespräch mit den Sadduzäern Mk1218-27 begründet Jesu die Auferstehungshoffnung mit der Treu und Beständigkeit Gottes. So sind die Erzväter Abraham, Isaak und Jakob nicht gestorben, sondern müssen noch leben, da sie Gott sich dem Mose als der Gott der Erzväter präsentierte, denn "Er ist nicht der Toten, sondern der Lebenden Gott."
Auferstehung als Handeln Gottes
Die NT-Texte setzen bei Gott ein, wenn sie von der Auferstehung reden. Gott hält seine Treu zu Jesus durch und bewährt sich in seinem Verhältnis zu Jesus
Endzeitliches Offenbarungsgeschehen
Wichtige Verbform ist wfqh und bezeichnet das Hervortreten Gottes aus der Verborgenheit zum Zweck der Selbstmitteilung.
Widerfahrnischarkter des Offenbarungsgeschehens
d.h. es richtet sich an eine bestimmte Gruppe von Menschen mit einem bestimmten Weisung.

Hellenischtische Vorstellungen
Mit dem Platonismus und seiner Vorstellung der Unsterblichkeit der Seele hat die Auferstehungsvorstellung im NT nichts zu tun. Weil a) Im at-lich-jüdischen Vorstellungswelt eine Abwertung des Leibes fremd war, es gab keine Trennung zwischen Seele und Leib. b) die Unsterblichkeit ganz am Individuum orientiert war, die jüdische Vorstellung, die den Menschen immer in seinem Verhältnis zu Gott steht im Gegensatz dazu.
Hellenistische Entrückungsvorstellung
Diese Vorstellung wurde im römischen Kaiserkult gerade zu institutionalisiert
Lukanischer Himmelfahrtsbericht
Der lukanische Himmelfahrtsbricht will gerade die Auferstehung Jesus hellenistischen Lesern näher bringen und bedient sich deren Vorstellungen. Es ist bei Lk ein refelektierter Interpretationsprozeß: Lukas will das Auferstehungszeugnis in die hellenistischen Menschen geläufige Kategorien übersetzen.

Historischer Rekonstruktionsversuch

Das leere Grab
Bultmann hält es für eine ganz sekundäre Bildung, eine apologetische Legende, die die Wirklichkeit der Auferstehung Jesu durch das Leerfinden des Grabes beweisen wolle.
J. Jeremias sieht in Joh20 einen historischen Kern: die Christophanie Maria Magdalenas.
Dagegen sehen v.Campenhausen und U. Wilkens in der Grabesgeschichte eine seh r alte Überlieferung mit eine historischen Kern.
Roloff bevorzugt die letztere Position, da Mk161-8 ungeeignet sei durch die mangelnde Zeugnisfähigkeit der Frauen am Grab. Es wird nicht erwähnt, daß das leere Grab Glauben geweckt habe, ganz im Gegenteil verursacht Furcht und Verwirrung. Eine räumliche und zeitliche Distanz ist zwischen der Auffindung des leeren Grabes und der Erscheinung vorausgesetzt. Letztes Argument ist die Jerusalemer Lokaltradition.
Fixpunkte der Osterereignisse sind demnach Mk161-8 und 1Kor155f.

Die Erscheinungen
zunächst Rückkehr nach Galiläa, dort Erlebnis des Petrus, das ihm Auferstehungsgewißheit Jesu gab. und Auftrag die Jünger zu einer endzeitlichen Heilsgemeinde zu sammeln. Darauf Erscheinung vor den 12 und Rückkehr nach Jerusalem. Erst nach der Rückkehr nach Jerusalem Bericht der Frauen über das leere Grab. Die Möglichkeit besteht, daß die Entdeckung des leeren Grabes erst durch den Auferstehungsglauben der Jünger österlich erklärt wurde.
Die Erscheinungen dauerten noch eine Weile an (Paulus) waren aber wohl um 35 abgeschlossen.
Die Sicht der zweiten Generation
Verschiebung der Bedeutung der Auferstehungserscheinungen von endzeitlichem Offenbarungshandeln Gottes zur Manifestation der überragenden Bedeutung Jesus und Abschluß der irdischen Geschichte Jesu.

Theologische Interpretationszusammenhänge

Judenchristentum
Im hellenistischen wie palästinischen Judenchristentum ist die Botschaft der Auferstehung der Anfang der Endzeitereignisse. Mit seiner Auferstehung ist die Parusie in den Blick gerückt und mit ihr die die Auferstehung aller zu Gericht und Heil.
Die Deutung der Auferstehung als Erhöhung sieht Christus als Sohn Gottes in der Kraft nach dem heiligen Geist, als zur Rechten Gottes sitzend und somit bereits in der Gegenwart als den Sachwalter des Endzeitgeschehens.

Hellenistisches Christentum
entwickelt die Vorstellung der Erhöhung weiter und findet in den cristos-kurios-Hymnen. Jesus wird zum kurios über alle Mächte und Gewalten bzw zum kosmischen Herrscher. Durch diese Vorstellung gewinnt die Erhöhung nun kosmische Dimensionen

Paulus
verknüpft eng Kreuz und Auferstehung mit einander. In seiner Predigt als Wort vom Kreuz wird eben nicht Jesu Sterben durch die Auferstehung annulliert, sonder in Kraft gesetzt, um weiter als Heilsgeschehen verkündigt zu werden. Die Gemeinschaft der Glaubenden mit Christus ist zugleich die Verbindung mit den Gekreuzigten und dem Auferstandenen.

Johannes
verbindet auch Kreuz und Auferstehung, jedoch in völlig verschiedener Weise zu Paulus: Für Johannes ist die Auferstehung eine Rückkehr in die Herrlichkeit des Vaters aus dem Kosmos. Diese Rückkehr vollzieht sich im Sterben Jesu.

Die Auferstehung Jesu in der modernen theologischen Diskussion

Der Auferstehungsglaube als Folge eines psychologischen Prozesses
Kurz und Knapp: In der liberalen Theologie des 19. Jahrhunderts entstanden erklärt die Auferstehung dadurch, daß die Jünger unter dem Eindruck und Einfluß Jesu standen und ihn dadurch zu sehen glaubten.
Kritik: Von den Quellen nicht belegt. Es war ein radikaler Bruch und nicht wie die liberale Theologie glauben machen will ein Kontinuum.

Der Auferstehungsglaube als Antwort auf das Kerygma.
Von Bultmann entwickelt. Wo das Wort vom Kreuz als Entscheidungsruf ergeht und angenommen wird, dort ereignet sich Heilsgeschehen. Damit ist Ostern nichts anderes als ein In-Erscheinung- Treten der Bedeutsamkeit des Kreuzes. Ein Hinter-Fragen nach dem auslösenden geschichtlichen Handeln Gottes ist historisch unmöglich und theologisch illegitim.
Kritik: Es wird nicht die Botschaft, das Kerygma, verkündet, sondern der auferstandene Christus

Auferstehung als Weiterereignung des Jesus-Kerygmas
G. Ebeling und W. Marxsen These ist daß die Funktion der Erscheinung Jesu die Vergewisserung der Jünger, daß die "Sache Jesu" weitergehe. Die Botschaft ereignet sich nun in der Verkündigung der Zeugen weiter. Ostern ist damit im Kern die Weiterereignung des Jesus-Kerygmas.
Kritik: Es läßt sich keine Kontinuität zwischen der vorösterlichen Jesu und der nachösterlichen Christus-Verkündigung feststellen. Auferstehung ist das zentrale Handeln Gottes, das selbst im Kerygma Gegenstand immer neuer Interpretationen wird.
Auferstehung als In-Kraft-Setzung der Geschichte Jesu durch Gottes Handeln