Karl Barth

Die Kirchliche Dogmatik I/1

München 21935. Exzerpt bis § 8, dann Wiedergabe von Barths Überschriften.

§ 1 Die Aufgabe der Dogmatik 1
§ 2 Die Aufgabe der Prolegomena zur Dogmatik 2
§ 3 Die kirchliche Verkündigung als Stoff der Dogmatik 3
§ 4 Das Wort Gottes in seiner dreifachen Gestalt 3
§ 5 Das Wesen des Wortes Gottes 6
§ 6 Die Erkennbarkeit des Wortes Gottes 8
§ 7 Das Wort Gottes, das Dogma und die Dogmatik 10
§ 8 Gott in seiner Offenbarung 11
§ 9 Gottes Dreieinigkeit 13
§ 10 Gott der Vater 13
§ 11 Gott der Sohn 13
§ 12 Gott der heilige Geist 13
 
 

§ 1 Die Aufgabe der Dogmatik (1-23)

"Dogmatik ist als theologische Disziplin die wissenschaftliche Selbstprüfung der christlichen Kirche hinsichtlich des Inhalts der ihr eigentümlichen Rede von Gott."
 
 

1. Kirche, Theologie, Wissenschaft (1-10)

"Dogmatik ist eine theologische Disziplin. Theologie ist aber eine Funktion der Kirche."

Bekenntnis geschieht durch den einzelnen und durch die Gemeinschaft;

Coccejus: "Theologus est ho ton theon ek theou enopion tou theou eis doxan autou legon" (Summa theol. 1669, I,1).

Die Kirche bekennt sich zu Gott und so auch zur Menschlichkeit und Verantwortlichkeit ihres Handelns (1).

Theologie als Wissenschaft wird von der Kirche ergriffen im Blick auf jene Verantwortlichkeit ihres Redens – Selbstprüfung vor der Wahrheitsfrage, gemessen am eigensten Ursprung und Gegenstand. (2)

"Die sog. Kirchengeschichte antwortet auf keine selbständig zu stellende Frage hinsichtlich der christlichen Rede von Gott und ist darum nicht als selbständige theologische Disziplin aufzufassen." (3)

Sie Selbständigkeit der Theologie gegenüber den anderen Wissenschaften ist nicht erweisbar. Andere könnten die Aufgabe der Kritik des Redens von Gott übernehmen (3); sie haben es aber faktisch nicht getan, sondern eher die Selbstentfremdung der Kirche gefördert (es gab noch nie philosophia christiana). So ist Theologie als bes. Wissenschaft nur als relative, faktische Notwendigkeit zu erweisen (4), als Notmaßnahme ohne wissenschaftstheoretische Begündung.

Ob die Theologie selbst Wissenschaft ist, ist keine Lebensfrage von ihr, denn es gibt keine inneren Gründe, die sie dies behaupten lassen müsse.

Baier, Buddeus: "scientia"; Wolleb, Mastricht, Quenstedt (¬ 5): "doctrina"; J.Gerhard, Hollaz: sapientia; Wobbermin: exientielles Interesse, als Wissenschaft zu gelten! Die Ausrichtung auf die eigene Aufgabe läßt die Theologie jede Rücksicht auf das, was sonst "Wissenschaft" heißt, unterordnen und nötigenfalls opfern; "sie hat methodisch nicht bei ihnen zu lernen. Sie hat sich nicht vor ihnen zu rechtfertigen" [!!] (6), auch nicht dadurch, daß sie selbst einen Wissenschaftsbegriff anbietet (8). Wissenschaftkriterien (H.Scholz ZdZ 1931: Widerspruchslosigkeit (Satzpostulat), Kohärenz, Kontrollierbarkeits-, Konkordanz- (Respektierung vor physikal. und biol. Unmöglichem), Unabhängigkeitspostulat, Aufspaltbarkeit aller Sätze in Axiome und Theoreme = unannehmbar für die Theologie. Nur "Sachgemäßheit" in dem ärgerlich unbestimmbaren Sinn ist die eine Regel, an die sich Theologie halten muß (7).

Wir halten an der Bezeichnung "Wissenschaft" ohne Pathos fest, weil damit 1. die Solidarität mit anderer Bemühung um die Wahrheit deutlich gemacht wird, ohne die Theologie ontologisch zu überhöhen; 2. der Protest gegen jenen zugestandenermaßen "heidnischen" allgemeinen Wissenschaftsbegriff angemeldet wird (9; mit Aristoteles begann nur eine Tradition), 3. das Heidentum nicht ernst genug genommen wird, wenn es sich unter anderem Namen abzusondert. Theologie glaubt an die Vergebung der Sünden und nicht an die letzte Wirklichkeit eines heidn. Pantheon.

2. Dogmatik als Forschung (10-16)

Dogmatik als Forschung setzt voraus, daß der rechte Inhalt christlicher Rede von Gott vom Menschen erkannt werden (1.) kann, (2.) muß.

(1.) Kann: Dogmatik setzt voraus, daß Gott in Jesus Christus, wie er das Sein der Kirche ist, die Wahrheit und auch und gerade für uns Wahrheit ist (11). Jeder Satz der Dogmatik muß als Glaubenssatz gewagt werden, ohne der Härte des "Dogmatischen" auszuweichen.

(2.) Muß: Keine Fortschrittsgarantie! "Die Wahrheit kommt: nämlich im Glauben, in dem wir anfangen, und im Glauben, in dem wir aufhören (und neu anfangen!) zu erkennen." (13) Dogmatik gibt es nur als theologia crucis: im Akt des im Glauben gewissen, darum gerade demütigen Gehorsams, nicht als arbeitslos triumphierenden Zugriff (13). Gegen Katholizismus: Dogmatik ist die Wissenschaft vom Dogma, nicht von den Dogmen, die zu sammeln wären. Der Begriff "Offenbarungswahrheiten" ist theologisch unmöglich, wenn anders Offenbarung in Jesus Christus ein für allemal geschehen (14). "Offenbarungswahrheit ist der frei handelnde Gott selber und ganz allein." (15).

Dogmatik ist nicht mit Exegese identisch: Sie fragt nicht als solche nach dem, was Apostel und Propheten gesagt haben, sondern nach dem, was auf deren Grunde wir selbst sagen sollen. "Diese Aufgabe kann uns auch durch die notwendig voangehende Erkenntnis des ‘Schriftgrundes’ nicht abgenommen werden." (15)

3. Dogmatik als Glaubensakt (16-23)

Dogmatik außerhalb der Kirche ist keine Möglichkeit. Sie setzt den Glauben und so Gottes Handeln voraus, der die Erkenntnis je und je schenken oder verweigern kann.

Wirkliche Theologie ist eine dem Menschen wirklich widerfahrende Bestimmung und Inanspruchnahme durch den handelnden Gott – an diesem Punkt die Gefahr, dies zu anthropologisieren. Wiedergeburt ist ein unentbehrliches Requisit der Dogmatik, aber nicht, sofern mit dem allen ein Wollen und Laufen, Erleben und Leisten des Theologen gemeint ist, sondern die Gnade göttlicher Prädestination (18-20). Furcht des Herrn = der Weisheit Anfang. Problem nach Althaus: Konflikt "kritische Haltung"-"kirchliche Bindung". Dies ist aber leicht zu lösen: s.Anselm, Cur Deus Homo? II 9; Turretini, Inst.Theol.el. I,1679, L,I, qu.5,9 u.a.).– Harnack: Es gab immer charismatische Theologie von Innen, vom Standpunkt des Glaubens geredet: von Paulus begründet, kann aber nicht kirchliche oder wissenschaftliche Theologie werden; und eine Theologie von Außen, nach allgemeingültigen Prinzipien: von den Apologeten begründet, nur sie kann wissenschaftliche Theologie begründen. Dieses Testament Harnacks mag hier für oder gegen sich selbst sprechen.

Es gibt keine Überwindung des Problems! Ubi et quando visum est Deo (22) - bleibendes Geheimnis. Wir verweisen nur auf das Gebet als auf die Haltung, außerhalb derer dogmatische Arbeit nicht möglich ist. Gebet kann Ausdruck menschlichen Wollens und göttlichen Willens sein, daß der Mensch Gott recht und sich unrecht gibt. Der Weg vom kann zum muß ist nach Röm 8,26f. selber in das Geheimnis verhüllt, an dessen Pforte wir hier stehen. "Ich glaube,…, hilf meinem Unglauben!"
 
 

§ 2 Die Aufgabe der Prolegomena zur Dogmatik (23-43)

"Prolegomena zur Dogmatik nennen wir den einleitenden Teil der Dogmatik, in welchem es sich um die Verständigung über ihren besonderen Erkenntnisweg handelt." ( ¬ 23)

1. Die Notwendigkeit dogmatischer Prolegomena (24-35)

entsteht nicht dadurch, daß das geistige Klima säkularer geworden ist. Denn dies war 1. ein Problem der christlichen Theologie aller Zeiten; 2. ist die Dogmatik als Rede des Menschen auf der ganzen Linie eine Auseinandersetzung von Offenbarung und Vernunft (27). Wird der Widerspruch des Menschen zum Gegenstand, so ist der Raum der Kirche verlassen (28). 3. ist nur die ungewollte Polemik wirksam (28f.): "Apologetik und Polemik können nur Ereignis, nicht Programm sein." (30)

Die Notwendigkeit entsteht also aus inneren Gründen, nämlich dort, wo der Glaube im Streit mit sich selbst steht; im Andersglauben, in der Häresie meldet sich der Unglaube (30f.). Diskutiert wird über denselben Gegenstand aufgrund der gleichen formalen Voraussetzungen, die erst zerbrechen, wenn man sich gar nicht mehr begegnet (32). Beispiel der Häresie: der röm.Kath., pietist.-rationalist. Modernismus. Die Häresien zwingen dazu, sich klar zu machen, warum und wie wir hier stehen und nicht dort (33f.). "Das evangelische Verständnis jener scheinbar oder wirklich hüben und drüben identischen formalen Voraussetzungen zu klären, das ist die uns heute auferlegte innere Notwendigkeit dogmatischer Prolegomena." (34)

Schleiermachers Bedeutung: gab in seiner Lehre von der christlichen Frömmigkeit als dem Sein der Kirche dieser Häresie eine die Zeit vor ihm ebenso erfüllende wie die Zeit nach ihm weissagende formale Begründung; er ist nicht der Inaugurator, sondern der Klassiker des Modernismus. (35)

2. Die Möglichkeit dogmatischer Prolegomena (35-43)

Es gibt keinen dem Sein der Kirche übergeordneten Seinszusammenhang (Ontologie), innerhalb derer das Sein Kirche bzw. des Glaubens verwirklichbar ist (so der Liberalismus [Schleiermacher-de Wette], der das Sein der Kirche als Frömmigkeit definiert); ebensowenig ist das Sein der Kirche, Jesus Christus, in das Dasein der Kirche hineingebunden (Katholizismus: analogia entis). Das Sein der Kirche ist actus purus, göttliche, nur aus und durch sich selbst einsichtige Handlung (gegen Modernismus), freie Handlung, nicht kontinuierlich-vorfindliche Beziehung (gegen Katholizismus).

Prolegomena sind nur möglich als Teil der Dogmatik selber; "pro" ist uneigtl. zu verstehen als die zuerst, nicht die vorher zu sagenden Dinge (41). Sie behandeln das Kriterium der Dogmatik, das Wort Gottes; ähnlich dem Locus De scriptura sacra der altprot. Theologie, nur eben die Schriftlehre im Zusammenhang der Lehre vom Wort Gottes. Dabei einige auffallende Vorwegnahmen, bes. die Trinitätslehre (43).

DIE LEHRE VOM WORTE GOTTES

Erstes Kapitel: Das Wort Gottes als Kriterium der Dogmatik

§ 3 Die kirchliche Verkündigung als Stoff der Dogmatik (47-89)

"Die in der Kirche stattfindende Rede von Gott will insofern Verkündigung sein, als sie sich als Predigt und Sakrament an den Menschen richtet mit dem Anspruch und umgeben von der Erwartung, daß sie ihm auftraggemäß das im Glauben zu hörende Wort Gottes zu sagen habe. Sofern sie trotz dieses Anpruchs und dieser Erwartung menschliches Wort ist, wird sie Stoff der Dogmatik, d.h. der Untersuchung ihrer Verantwortlichkeit, gemessen an dem Worte Gottes, das sie verkündigen will."

1. Rede von Gott und kirchliche Verkündigung (47-73)

"Nicht alle menschliche Rede ist Rede von Gott. Es könnte und müßte wohl so sein." Nicht alle Rede im Gottesdienst ist Verkündigung (Gebet, Lied, Bekenntnis); die helfende Solidarität als Antwort des Menschen, nachdem ihm Gott geholfen hat, kann Verkündigung werden, sie darf es aber nicht wollen, sonst wird sie Propaganda. "Wirkliche christliche Liebe müßte sich ja entsetzen vor dem Gedanken, mit ihrem allzu menschlichen Tun als Verkündigung der Liebe Christi sich auszugeben." (51). Auch Jugendunterricht darf nicht Verkündigung sein wollen, sondern schlicht Unterweisung; er hat zu belehren, nicht zu bekehren und nicht "‘in die Entscheidung zu stellen.’" Auch Theologie darf nicht Verkündigung sein wollen; sie ist kirchlicher Jugendunterricht auf höherer Stufe und mit bes. Absicht: Nachprüfung des Zusammenhangs der heutigen Verkündigung mit dem ursprünglichen und beherrschenden Sein der Kirche und als Anweisung ihrer rechten, sachgemäßen Fortsetzung in Wissenschaft, Unterricht, Forschung (51).

Wo menschliche Rede Verkündigung sein will, muß sie dem Wort Gottes dienen; sie wird geheiligt zu Gottes eigenem Zeugnis. Entscheidend für wahre Prophetie: Mensch als solcher hat keine Möglichkeit, das Wort Gottes zu sagen, ansonsten gotteslästerlicher Aufruhr.

Die kirchliche Verkündigung versteht sich "nur als Dienst am Wort Gottes, als Mittel der Gnade in des freien Gottes Hand." (55).

Tillich verwechselt die Fragen "Was Gott tun kann? …Was ist uns durch die der Kirche gegebene Verkündigung aufgetragen?" (55) und wird so theologisch uninteressant… (!)

Die Verkündigung der Kirche ist Predigt und Sakrament (56). Gegebensein und Sinn eines Auftrags kann man nur so begründen, indem man ihn entweder wiederholt oder ausführt. Die Antwort ist jeweils indirekt, "unbefriedigend". …(57) Mt 28,19f. faßt genuin zusammen. (Das Wort Gottes ist die Mitte des Lebens der Kirche mit Einschluß der Elemente der Verkündigung, 59) Legitime Wiederholung des Wortes ist nicht eigenmächtige religiöse Rede, sondern Homilie, gebundene und geführte Rede; nicht bloße Schriftlesung oder Umschreibung, sondern "das konkrete und heutige Gegenüber von Gott und Mensch, dessen Wirklichkeit freilich nur durch das Wort Gottes selbst zu schaffen ist, muß dann in dem menschlichen Ereignis der Verkündigung seine Entsprechung haben (59), d.h. der Berufene muß dann die der Kirche gegebene Verheißung in eigenen Worten den Menschen seiner Zeit verständlich zu machen willens sein." Deutlich: fundamentale Schwierigkeit der Predigtaufgabe, neben der alle anderen Schwierigkeiten ein Kinderspiel sind. Demgegenüber hat sich der Kath. mit dem Niveau von Moralunterricht zufrieden gegeben und der Neuprotestantismus mit dem lebendigen Ausdruck der persönlichen Frömmigkeit des betreffenden Redners (60f.). S. 62-73 gegen a) Modernismus (Tillich) und b) gegen Katholizismus (Predigt kein konstitutives Element im Begriff des katholischen Priestertums; man kann Priester sein, ohne je gepredigt zu haben; zwischen a und b ist die Beziehung nicht zu verkennen, 68f.).

2. Dogmatik und kirchliche Verkündigung (73-89)

Verkündigung ist unmittelbar zu Gott, nicht die Dogmatik. Diese kann jener auch nicht die Inhalte vorschreiben, sondern gibt Anleitungen, Wegweisungen und Schranken. Die Verkündigung ist Stoff der Dogmatik, nicht umgekehrt. Die Dogmatik sucht die Verkündigung, weil diese menschliche Rede ist, vor ihrem Gegenstand zu verantworten, sie prüft deren "Orthodoxie".

§ 4 Das Wort Gottes in seiner dreifachen Gestalt (89-128)

"Die Voraussetzung, die die Verkündigung zur Verkündigung und damit die Kirche zur Kirche macht, ist das Wort Gottes. Es bezeugt sich in der heiligen Schrift im Wort der Propheten und Apostel, denen es ursprünglich und ein für allemal durch Gottes Offenbarung gesagt wurde."

1. Das verkündigte Wort Gottes (89-101) (Je abschließende zusammenfassende Sätze nicht abgeschrieben)

(1) Das Wort Gottes ist der Auftrag; nicht menschliche Motive, einen Sachverhalt (objektivistisch; fiele in den Bereich der Wissenschaft) oder eine Überzeugung (subjektivistisch; fiele in den Bereich der Kunst) bekanntzugeben (90-92).

(2) Das Wort Gottes ist der Gegenstand, obwohl wir keine anderen Gegenstände als die unserer Anschauung haben. Verkündigt wird dieser Gegenstand nur, indem er sich frei gibt: "Selbstvergegenständlichung Gottes" (93f.).

(3) Das Wort Gottes ist das (unverfügbare, nicht handhabbare) Urteil, nicht der wissenschaftliche, ästhetische oder sittliche Charakter der Verkündigung (93-95).

(4) Das Wort Gottes ist das Ereignis selbst, in dem die Verkündigung zur Verkündigung wird. Dies ist der engste Kreis. Nominalistisches Mißverständnis: menschliches Wollen. Dies ist nicht ausgeschlossen, aber die Verkündigung ist auch und zuerst Gottes Tat. Das Wunder der Verkündigung besteht nicht darin, daß das Wollen des Menschen wegfalle und göttliche Tat in die Lücke trete (dem parallel: katholische Wandlungslehre!). Die Verkündigung bleibt menschlich. Gott ist das Subjekt, von dem das menschliche Tun seinen wahren Namen erhält.

Dissens zum Katholizismus: nicht das Daß, sondern das Wie des Vikariates:

1. Wie wird ein Mensch vicarius Christi? Katholizismus: indem er am Ende einer ununterbrochenen Sukzession steht. Frage: "Wie dieser profane, nämlich historisch-juridische Tatbestand einer solchen Liste dazu kommt, die Rechtmäßigkeit des kirchlichen Amtes zu verbürgen? Was denn aktenmäßige mit wirklicher und d.h. dann doch wohl pneumatischer Sukzession zu tun haben möchte?"

2. Wie besteht dieses Vikariat oder diese Sukzession? Katholizismus: im Charakter, den der Bf oder Priester durch Ordination auf Lebenszeit empfängt. Frage: Wieso auf Lebenszeit, wenn Ordination sich doch nur auf die amtlichen Akte beziehen und auch darin nicht mehr als die Verkündigung einer Verheißung bedeuten kann?

3. In was besteht das Vikariat oder die Sukzession? Katholizismus: i.d. Vollmacht, Irreformables zu verkündigen. Frage: Inwiefern kann dieses noch als Dienst Gottes verstanden werden? Inwiefern liegt hier noch eine Vertretung und nicht vielmehr eine Ersetzung Christi vor?

Alle Fragen zusammengefaßt: Sind vom Vikariat im röm. Sinn nicht bloß noch die Akzidentien übrig? Substanz mit Kirchenregierung Christi identisch? Verkündigung ist entmenschlicht; kann nur noch zum Schein menschlich, verantwortlich, dienstbares Tun sein. Folgerichtig: Papst Innocenz III. predigte an seinem Konsekrationstage einfach über sich selbst!! (Beleg: A.v.Harnack, Christus praesens - Vicarius Christi, Sitz.-Berichte der preuß. Akademie d.Wiss. 1927, 441) Augustins Anweisung an Prediger faßt gut zusammen: Oret, ut Dominus sermonem bonum det in os eius (De doctr. chr. IV,15) – man muß beten um den sermo bonus? "Das ist…der rätselhafte Riß, der seit 400 Jahren durch die Kirche geht." (95-101)

2. Das geschriebene Wort Gottes (101-113)

Ähnlich mit der Verkündigung: Gotteswort im Menschenwort. Aber erstere der zweiten schlechthin überlegen: Ist das Vikariat der Kirche echt, d.h. gründet die Kirche nicht heimlich in sich selbst, dann muß die konkrete Gestalt des Vikariates die Sukzession sein, d.h. das Sich-Richten nach dem Kanon. Ist der Antesuccessor tot [!!], so geht das nur, wenn seine Verkündigung schriftlich fixiert vorliegt. In der ungeschriebenen Tradition ist die Kirche nicht angeredet, sondern im Selbstgespräch (107). Modernismus (Lessing) und Trienter Konzil (schon ab Papias) stimmen in der relativen Entwertung des Kanons überein (107f.).

Exegese = ständige Gefahr einer Beschlagnahme der Schrift durch das kirchliche Selbstgespräch (historisch-kritische Methode oder Lehramt: wenn einer der beiden unfehlbar wäre, wäre eine Norm über der Norm aufgerichtet). Die Exegese ist nach allen Seiten freizugeben, nicht um des freien Denkens, sondern um der freien Bibel willen, deren kanonischer Text an sich schon eine freie Macht ist.

Wie kommt die Schrift zu ihrer Normativität? Sie macht sich selbst zum Kanon. "Sie ist Kanon, weil sie sich als solcher der Kirche imponiert hat und immer wieder imponiert." Dieses Geschehen können wir als solches nur registrieren; aber es ist nicht unmöglich, nachträglich, exegetisch anzugeben, in was dieses Sich-Imponieren besteht, inwiefern es gerade der Weisheit unserer Selbstgespräche eine Grenze setzt – Inhalt der Heiligen Schrift: Predigt von Jesus Christus (110). Kraft dieses Inhalts imponiert sich die Schrift (deutlich am Beginn der Reformation). Das letzte hierzu zu Sagende: "Durch die Heilige Schrift ist die Kirche zu ihrer Verkündigung aufgerufen, ermächtigt und angeleitet – so ist eben damit gesagt: auch die Heilige Schrift ist Wort Gottes." Auch das Imponieren der Bibel kraft ihres bes. Inhalts ist Ereignis. "In diesem Ereignis ist die Bibel Gottes Wort, d. h. in diesem Ereignis ist das prophetisch-apostolische Menschenwort in eben der Weise Repräsentant des Wortes Gottes selber, wie dies im Ereignis wirklicher Verkündigung das Menschenwort auch des heutigen Predigers werden soll: Menschenwort, das Gottes Auftrag an uns hinter sich hat, Menschenwort, dem sich Gott zum Gegenstand gegeben, Menschenwort, das von Gott als gut anerkannt und angenommen ist, Menschenwort, indem Gottes eigenes Reden zu uns Ereignis ist. Eben dieses Ereigniswerden des Redens Gottes selber im Menschenwort der Bibel ist aber Gottes und nicht unsere Sache. Das meinen wir, wenn wir die Bibel Gottes Wort nennen." Die Bibel greift nach uns, nicht umgekehrt. "Daß das geschieht, daß die Bibel zu uns redet von der Verheißung, … daß ihr Wort sich uns imponiert und daß also die Kirche in ihrem Gegenüber zur Bibel je und je wird, was sie ist, das ist eben Gottes und nicht unsere Entscheidung, das ist Gnade und nicht unser Werk. Die Bibel ist Gottes Wort, sofern Gott sie sein Wort sein läßt, sofern Gott durch sie redet. [Dieser Satz zitiert bei Bohren, Predigtlehre, 21972, S. 113. 117.] Man kann bei dieser zweiten Gleichung so wenig wie bei der ersten (‘die kirchliche Verkündigung ist die Gottes Wort’) abstrahieren von dem freien Handeln Gottes, in welchem und durch welches er es jetzt und hier an uns und für uns wahr sein läßt, daß das biblische Menschenwort sein eigenes Wort ist. Der Satz: ‘Die Bibel ist Gottes Wort’ ist ein Glaubensbekenntnis … nicht wahr sein lassen als eine Beschreibung unseres Erlebnisses mit der Bibel, sondern wahr sein lassen als eine Beschreibung des Handelns [¬ 112] Gottes in der Bibel. … Die Bibel wird also Gottes Wort in diesem Ereignis und auf ihr Sein in diesem Werden bezieht sich das Wörtlein ‘ist ’ in dem Satz, daß die Bibel Gottes Wort ist. Nicht darin wird die Bibel Gottes Wort, daß wir ihr Glauben schenken, wohl aber darin, daß sie uns Offenbarung wird. Aber daß sie uns Offenbarung ist auch gegenüber unserem Unglauben, das können wir doch nur im Glauben und für uns wahr sein lassen und als wahr bekennen", nicht abstrahiert vom Handeln Gottes.

Luth.Orth. kannte die gegen Calvinismus, Schwenckfeldianern, Quälern u.a. Lehre von der efficacia Verbi divini etiam ante et extra usum. Richtiges Anliegen: Bibel ist Gottes Wort, unabh von der subjektiven Erfahrung. Aber zuviel: Bibel sei (so Quenstedt) kein instrumentum, das novo motu et elevatione nova ad effectum novam ultra propriam suam naturalem virtutem producendum bedürftig; Hollaz: Bibel wie die Sonne, die auch hinter Wolken Wärme ausstrahlt, eine vis hyperphysica analoga efficaciae physicae i.e. vera et realis. In diesem Sinne bedürfte die Schrift wirklich keiner elevatio. Aber ist Gottes Wort so da? Wenn es wirklich Wort ist? Wort Gottes, der Person ist? Man wird doch wohl wählen müssen zwischen den Begriffen ‘Wort Gottes’ und ‘vis hyperphysica’. (113) 3. Das offenbarte Wort Gottes (114-124)

Barth führt nochmals aus, daß die Identifikation zwischen Offenbarung und Bibel keine von uns vorauszusetzende ist; sondern daß diese als Ereignis stattfindet, wenn und wo das Bibelwort Gottes Wort wird (der Finger des Johannes!). Jesus Christus hat Altes und Neues Testament in die Existenz gerufen; darum konnte sie und darum kann sie je und je bewegter Kanon werden (118). Er bezeugt ein Geschehensein: Deus dixit (118f.). Die Bibel verstehen bedeutet: verstehen, was alles in ihr auf die Offenbarung als auf die unsichtbar-sichtbare Mitte bezogen ist. "Es kann nur darum gehen, daß die Bibel sich uns zu verstehen gibt, daß wir die Bibel als Gottes Wort zu hören bekommen. Die Bibel als Gottes Wort hören heißt aber: Da und dort, in dem gewiß immer sehr bescheidenen…Umfang…hören, wie die Menschenworte der Bibel Träger dieses ewigen Wortes sind, d.h. wie sie von dieser Mitte her gemeint, mit allem, was sie sagen, wiederum diese Mitte meinen." (119f.) "Die Einheit der Offenbarung gewährleistet die Einheit des biblischen Zeugnisses trotz und in dessen ganzer Mannigfaltigkeit, je Gegensätzlichkeit. Die Einheit der Bibel gewährleistet die Einheit der Kirche trotz und in der Verschiedenheit des Maßes des Glaubens, in dem die Bibel diesem und jenem diesem und diesem und jenem heute und morgen zur Offenbarung wird. Die so begründete Einheit der Kirche aber gewährleistet die Einheit der Verkündigung." (120)

Bibel und kirchliche Verkündigung müssen Gottes Wort je und je werden; von der Offenbarung kann man das so nicht sagen, sondern ungekehrt: "Sie wird Wort Gottes, nämlich in der Bibel und in der Verkündigung, indem sie es in sich selber ist. Sie ist selber dasjenige, was Bibel und Verkündigung in jenem dreifachen Sinn aufhebt" (ausgezeichnet, begrenzt, gesichert; 121). Sie steht unter keiner Bedingung; sie ist selbst Bedingung. "Weil es eine bewegende Hand gibt, gibt es einen bewegten und selber bewegenden Kanon, eine beauftragte, gegenständliche, wahre und wirkliche Verkündigung im Gehorsam gegen diesen Kanon." (120) "Offenbartes Wort Gottes": das "offenbart" gehört nicht ins Prädikat, sondern ist nichts als eine Umschreibung des Subjektes selber, sofern dieses nicht nur ewig bei Gott, sondern in der Zeit bei uns Menschen ist. "Bezeichnet ‘geschrieben’ und ‘verkündigt’ die zweifache konkrete Beziehung, in der das Wort Gottes zu uns gesprochen wird, so bezeichnet Offenbarung das Wort Gottes selbst im Akt seines zeitlichen Gesprochenwerdens." (121f.)

Offenbarung ist nicht verschieden von der Person Jesu Christi und nicht von der durch ihn geschehenen Versöhnung. "Wer Offenbarung sagt, sagt: ‘Das Wort ward Fleisch.’" (122)

"Daß das Deus dixit der Kirche jeweils in ihren verschiedenen Zeiten und Situationen gegenwärtig sei, das wahrzumachen liegt nicht in der Macht der Bibel [!!] und der Verkündigung" (123), sondern steht allein bei Gott; bei Jesus Christus, "der keines Zeugen bedarf als eben seines Heiligen Geistes und des Glaubens der seiner in der empfangenen und ergriffenen Verheißung froh wird" [?]. (Und unter künftiger Offenbarung ist keine andere zu verstehen als die ein für allemal geschehene, aber eben diese nun auch an uns gerichtete, wie der Wiederkommende mit dem Gekommenen identisch ist; 123.) Diese dritte Gestalt des Wortes Gottes ist sachlich die erste.

4. Die Einheit des Wortes Gottes (124-128)

In dem einen Wort Gottes kann es kein Mehr oder Weniger geben.

Schematismus, der einzig – das Ganze stützend – der Trinitätslehre analog ist:

"Offenbartes Wort Gottes kennen wir nur aus der von der Verkündigung der Kirche aufgenommenen Schrift oder aus der auf die Schrift begründeten Verkündigung der Kirche.

Geschriebenes Wort Gottes kennen wir nur durch die die Verkündigung erfüllende Offenbarung oder durch die von der Offenbarung erfüllte Verkündigung.

Verkündigtes Wort Gottes kennen wir nur, indem wir die durch die Schrift bezeugte Offenbarung oder indem wir die die Offenbarung bezeugende Schrift kennen." (124)

Belege: v.a. Luther.

Die APO (127f.) friert mit der Inspiriertheitslehre die Beziehung zwischen Schrift und Offenbarung ein; das verkündigte Wort Gottes scheint man kaum mehr zu kennen (nur noch, mit den Sakramenten, als media salutis); man vergaß so sich selbst, machte sich aus einer Stätte des Gottesdienstes eine Stätte des Menschendienstes. "Der Ruhm der Objektivität, mit dem man das Wort Gottes vor allem in seiner biblischen Gestalt umgab, war oder auch so etwas wie eine Äußerung bösen Gewissens, mit der man versteckte, daß man nicht mehr recht wußte, daß man damit heute sich ereignendes Handeln – nicht des Menschen in seinem Verhältnis zu Gott, sondern Gottes in seinem Verhältnis zum Menschen, und damit eben Kirche sagt." (127f.) Da war es nicht mehr erstaunlich, daß der Modernismus das Ziel des feinen Menschendienstes auf leichterem Wege erstrebte. "Der katastrophale Zusammenbruch der Orthodoxie im 18.Jahrhundert, an dessen Folgen wir bis auf diesen Tag zu tragen haben, ist kein größeres Rätsel als der Einsturz eines Hauses, dessen Fundamente weichen. Nicht die kritisch gewordene Philosophie der Welt, sondern die unkritisch gewordene, sich selbst im Zentrum nicht mehr verstehende Theologie der Kirche selbst war für jenes Unheil verantwortlich." Darum muß heute der direkte Gegenstand der Dogmatik eben die kirchliche Verkündigung sein [! – "heute"!!!].
 
 

§ 5 Das Wesen des Wortes Gottes (128-194)

"Das Wort Gottes ist in allen seinen drei Gestalten Rede Gottes zum Menschen. Eben darum geschieht, gilt und wirkt es in der Tat Gottes am Menschen. Eben als solche geschieht es aber in der von allem anderen Geschehen verschiedenen Weise Gottes, d.h. in Gottes Geheimnis."

1. Die Frage nach dem Wesen des Wortes Gottes (128-136)

(Langer Exkurs, v.a. gegen Gogarten, S. 129-136)

Gott muß uns immer neu sagen, was er und sein Wort ist; er und sein Wort sind nicht irgendeinmal in unser Wissen aufzunehmen. In seinem Sagen können wir sagen, daß Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist ist; das das Wort Gottes das eine ist in Verkündigung, Schrift und Offenbarung. Wir können indirekt sagen, was das Wort Gottes ist: wir entnehmen den drei Gestalten, wie das Wort Gottes ist – das erreichbare menschliche Spiegelbild des Wortes Gottes.

2. Das Wort Gottes als Rede Gottes (136-148)

a) Das Wort Gottes ist primär geistiges; auch wenn es nicht ist ohne phys. Geschehen: Predigt und Sakramente/Buchstäblichkeit der Schrift ¹ pudendum oder negligendum/Leib Christi. Rede ist auch als Rede Gottes die Form, in der sich Vernunft der Vernunft, Person der Person mitteilt. Das Wort Gottes ist ein rationales, nicht irrationales Geschehen. Die Erinnerung an angeblich "tiefere" Seinsschichten jenseits der rationalen hat hier nichts hinzuzufügen. Das Wort Gottes ist Wahrheit; von anderen Worten unterscheidet es sich dadurch und dadurch, daß es keine phys. Schranke hat. Nur in Gottes Wort finden wir die normale Ordnung des Geistigen und des Natürlichen. Der Naturalismus kann aus der theologischen Sprache nicht verbannt werden, aber im Wort Gottes geht es zuerst nicht eigentlich darum. (138-141)

b) "Gottes Wort" heißt seine Persönlichkeit. Gottes Wort ist nicht ein Objektives, sondern es ist ein Objektives, indem es das Subjektive Gottes ist. Gott redet immer ein concretissimum, das als solches weder vorher- noch nachsagbar ist! "Was Gott redet, das ist nicht und nirgend abstrahiert von Gott selbst bekannt und wahr" (141).

"Gottes Sohn" ist in der Sprache der Trinitätslehre nicht von "Gottes Wort" unterschieden (Joh 1; Offb 19,12f.).

Die Gleichung "Gottes Sohn" ist "Gottes Wort" beendet den Doktrinarismus (stabile Summe von §§). Auch umgekehrt gilt es: der Sohn ist das Wort Gottes. Also Gott offenbart sich in Sätzen, durch das Mittel der menschlichen Sprache; es wird je und je dies und dies von den Propheten und Aposteln gesprochene, in der Kirche verkündigte sein Wort.

Verpersönlichung ¹ Entwörtlichung des Wortes, sondern Erkenntnis des Personseins von Gottes Wort im Unterschied zu allem andern. Personsein auch ethisch, nicht nur log.: freies Subjekt. Begriff "Person" ¹ Anthropomorphismus: "Nicht das ist problematisch, ob Gott Person ist, sondern ob wir es sind. … Gott aber ist wirklich Person, wirklich freies Subjekt."

Gott ist Herr der Wörtlichkeit seines Wortes: die Schrift ist an ihn, nicht er an sie gebunden; er kann sie gebrauchen oder nicht, so oder anders (143).

c) "Gott redet": absichtlich, bezogen, gezielt, aber nicht mit Notwendigkeit aus dem Wesen Gottes heraus, sondern völlig frei und souverän. Gottes Reden ist nicht ihm "mitgesetzt" wie Schleiermachers Gott im Gefühl schlechthinn.Abh.- Wir müssen als Leser der Schrift und als Hörer und Träger der Verkündigung mit best. menschlich-begriffl. Füllungen arbeiten; dies aber sind immer unsere eigenen Füllungen, nicht die konkrete Fülle des Wortes Gottes. "Ganz anders war immer das, was Gott sagte, und immer ganz anders wird das sein, was er sagen wird – ganz anders als das, was wir uns selbst und anderen sagen können und sagen über seinen Inhalt. Nicht nur das als Wort Gottes gehörte Predigtwort, auch das Schriftwort, durch das Gott zu uns redet, wird doch wirklich ganz anders bei dem Übergang aus dem Munde Gottes in unser Ohr und in unseren Mund" (145).

Indem Gott uns anredet, stellen wir fest: sein Wort begegnet uns unverwechselbar (also so nicht von Menschen sagbar) als Herren-, Schöpfer-, Versöhner- und Erlöserwort (146-148).

3. Die Rede Gottes als Tat Gottes (148-168)

Gottes Wort und Reden ist in allem seine Tat, es macht im eminentesten Sinne Geschichte; die Unterschiede zwischen "bloßer Rede" und "bloßer Tat" gelten für Gottes Wort nicht (148f.).

a) Gottes Reden ist kontingent gleichzeitig: Die Zeiten des direkten ursprünglichen Redens Gottes zu Aposteln und Propheten ist eine andere als die Zeit dieses Zeugnisses und diese eine andere Zeit als die Zeit der Kirche. Verschieden nicht nur durch Zeiträume, sondern durch die Stellung Gottes zu den Menschen; "die Verschiedenheit der Vor- und Nach-, der Über- und Unterordnungen ist es, was die Zeiten des Wortes Gottes so verschieden macht. Dreimal handelt es sich um ein Sagen Gottes durch Menschenmund. Aber nur zweimal, bei den biblischen Zeugen und bei uns, zuerst auch um ein Sichsagenlassen und nur einmal, bei uns, um ein indirektes, durch die Bibel vermitteltes Sichsagenlassen. Diese verschiedene Stellung in der Ordnung Gottes unterscheidet diese drei Zeiten in einer Weise wie menschliche Zeiten sonst nicht, wie sie eben nur hier, wie eben nur die Zeiten des Wortes Gottes verschieden sind" (150). Die Einsicht in diese Verschiedenheit ermöglicht erst die Einsicht in die Einheit der Zeiten, für die "Einsicht in unsere Gleichzeitigkeit mit Christus und allen seinen Heiligen" (151).

Lessings garstiger breiter Graben: versteht die Ordnung der Verschiedenheit der Zeiten bloß immanent; nach Lessing sucht man die Differenz der Zeiten immanent aufzulösen (151f.). "Von da ab fanden es alle lebendigeren Geister im Unterschied zur Aufklärung und zu Kant nicht mehr schwer und anstößig, die Offenbarung als Geschichte und die Geschichte als Offenbarung zu interpretieren" (152). Ohne diese Zeitenordnung läßt man den Begriff des Wortes Gottes fallen, humanisiert ihn, braucht ihn eigentlich gar nicht mehr. Die Kirche der Gegenwart spricht dann, so geschichtlich auch immer sie denken mag, das letzte Wort und bleibt mit sich selber allein. Gleichzeitigkeit ist nicht durch Einverleibung der Schrift und der Offenbarung in das Leben der Humanität von uns herbeizuführen; sie kann nur als Ausdruck dessen verstanden werden, "daß das Wort Gottes selbst Gottes Tat ist. Sie hat also mit dem allgemeinen Problem des historischen Verstehens direkt nichts zu tun. Irgendein historisches Verstehen findet freilich immer statt, wenn uns das Wort Gottes in seiner Gleichzeitigkeit offenbar wird." Erkenntnis ist in der Bibel auf Erwählung, Berufung u.dgl. zurückgeführt – Gott ist das Subjekt (153).

b) Das Wort Gottes hat Regierungsgewalt. "Gesetz und Evangelium als konkreter Inhalt des Wortes Gottes bedeuten auf alle Fälle eine Verhaftung des Menschen" (155). (158:) Das Wort Gottes bleibt also dem Menschen gegenüber nicht stehen, sondern versetzt ihn in den neuen Stand dessen, der Zusage, Anspruch und Urteil gehört hat; letzteres "schafft als solches nicht nur ein neues Licht und damit eine neue Situation, sondern mit der neuen Situation einen neuen Menschen, der vorher gar nicht existierte, nun aber existiert, identisch mit dem, der das Wort gehört hat" (158).

Mission setzt voraus, daß die Hörer bereits in den Machtbereich Christi einbezogen sind (159). Alles Gesagte gilt mutatis mutandis für das Verhältnis von Kirche und Geschichte oder Kirche und Gesellschaft. Die Menschenwelt, die dem Wort Gottes gegenübersteht, muß als Ganzes der entscheidenden Veränderung unterworfen angesehen werden; sie kann nicht in ihrer Gottlosigkeit behaftet werden. (Aber keine natürliche Theologie!; 160.) Nicht im Licht der Natur, aber im Licht der Gnade gibt es keine in sich geschlossene, sondern nur eine vom Wort Gottes in Frage gestellte Profanität. "Aber weder wird die Welt sich von sich aus zur Übereinstimmmung mit dem Worte Gottes entwickeln, noch hat etwa die Kirche das durch ihre Arbeit in und an der Welt zu schaffen." Egal welchen Einfluß und welche Größe die Kirche hat: "es wird sich bei dem, was aus Kirche und Welt wird, auf alle Fälle um nichts anderes handeln können als um ein Geschehen jenes schon gesprochenen entscheidenden Wortes" (161). Glaubt die Kirche, so ist sie "der Ort der Offenbarung, …, der Berg Zion, nach welchem die Heiden, ob sie es wissen oder nicht, unterwegs sind. Die Kirche, die dieser Ort ist, wird der Welt etwas zu sagen haben und von der Welt ernst genommen werden" (¬ 161).

c) Das Wort Gottes ist Entscheidung, dann erst auch Geschichte. "Gott [und sein Wort] ist a se. … Aber die Aseität Gottes ist nicht leere Freiheit." (162) Entscheidung heißt Wahl, gebrauchte Freiheit, geschehende Wahl. Konkret: 1. Das Wort Gottes ist nicht so Wirklichkeit, daß es in allgemeine Kategorien passen würde; es ist ja identisch mit Gott selber. Alle allgemeinen Begriffe unterdrücken das Wesentliche, daß das Wort Gottes nur in seiner eigenen Entscheidung Wirklichkeit ist. 2. Die Entscheidung im Verhältnis zum Menschen ist immer ein Wählen: Wahl der Gnade zum Glauben, der Ungnade zum Unglauben (Mt 22,14; 24,40f; Lk 17,34f; Mk 4,11!!!). Gottes Entscheidung ist so oder so gut (164-166). 3. Als göttliche Entscheidung wird das Wort Gottes wirksam in der Entscheidung des Menschen, zu dem es gesagt ist.

Diese ist kein Spezialfall menschlicher Entscheidung, nicht aus allgemeiner Anthropologie verständlich, sonst bleibt der Mensch Wähler seiner eigenen Möglichkeit. Schon über die Möglichkeit von Glauben und Unglauben kann nur in einer theologischen Anthropologie verhandelt werden. Wir sind, was wir aufgrund von Gottes Urteil sind. "Es ist also wirklich meine, höchstverantwortliche Entscheidung. Es liegt aber nicht in meiner Entscheidung, daß sie diesen Charakter hat, daß ich jetzt das Gute, jetzt das Böse wähle. Sondern was diese meine Entscheidung, die ich mit freiem Willen vollziehe, bedeutet: daß so ein Schritt zur Rechten und so ein Schritt zur Linken ihr Sinn ist, daß ich so wählend glaube und gehorche und so wählend beides verweigere, diese Qualifizierung meiner Entscheidung ist die in ihr stattfindende Wahrheit der göttlichen Entscheidung über mich. Gott hat mich, indem er zu mir spricht, ersehen als der, der ich bin zu dem, der ich ich bin. Die neue Qualität, die ich durch das Wort Gottes bekomme, ist meine eigentliche und wesentliche Qualität." Gerade diese kann ich mir nicht selbst geben; so bin ich nur der, der ich kraft göttlicher Entscheidung bin – darin vollendet sich das Wort als Tat Gottes.

4. Die Rede Gottes als Geheimnis Gottes (168-194)

Keine falsche Sicherheit! Der Logos Gottes muß selbst erweisen, was er ist, wo recht von ihm geredet wird. Gottes Wort ist eine Größe sui generis, ohne daß wir ihren Ort angeben oder ihre Andersheit beschreiben könnten. "Geheimnis" soll wie im NT verstanden werden: Verhüllung Gottes, in der er uns entgegentritt, gerade indem er sich verhüllt; er unterscheidet sich selbst nicht wir ihn.

a) "Die Rede Gottes ist und bleibt Gottes Geheimnis vor allem in ihrer Welthaftigkeit": Kreatürlichkeit und Sündhaftigkeit machen ihre Gestalt eigentlich ungeeignet zur Selbstdarbietung Gottes. Wichtig ist hier 1Kor 1,18-2,10. … Man kann die Verkündigung nicht so gestalten wollen, daß sie innerhalb des Kosmos als Element der Bildung, der Erziehung, des Volkstums, Fortschritts etc. einleuchtend wird; die Bibel nicht als glaubwürdig hinstellen wollen; v.a. nicht die Offenbarung selbst, Jesus Christus, nicht als höher hinstellen. "Eine rein historische Betrachtung des Christentums erweist sich hier auf die Länge immer wieder als gerade theologisch fruchtbarer als solche sich als historisch gebenden und schließlich doch auf einer Verwechslung der Kategorien beruhende Denkweise." (174)

Gott verhüllt sich selbst und eben damit – und darum dürfen wir nicht in das Geheimnis vorstoßen wollen – enthüllt er sich. Ohne Hülle wäre das unser Ende. "Gerade in seiner Welthaftigkeit ist es also in jeder Hinsicht das Wort der Gnade." (175) Dann Belege: Luther, Calvin, lange Widerlegung von Gogarten.

b) "Die Rede Gottes ist und bleibt Gottes Geheimnis in ihrer Einseitigkeit" (180): Enthüllung durch die Verhüllung oder umgekehrt. Die Verhüllung kann zur schlechthinn. Enthüllung werden oder umgekehrt. Nicht beides: das wäre wieder ein Paradoxon wie andere.

Wenn wir durch die Wundertat Gottes das "Gott mit uns" hören, kann es sein, daß wir es nur in seiner welthaften Gestalt hören; es kann aber auch sein, daß wir es in seiner welthaften Gestalt hören, aber eben so wirklich hören, was vor Gott dasselbe, für uns 2erlei und im Glauben 1erlei ist. Die welthafte Gestalt ist nur mit dem göttlichen Gehalt Wort Gottes und umgekehrt. Sonst wäre das eine realistische, das andere eine idealistische und beides falsche Theologie. Nur im Glauben hören wir das ganze Wort Gottes; Unterschied und Gegensatz von Gestalt und Gehalt vermögen wir nicht aufzuheben. "Das Koninzidieren beider ist Gott, es wird aber nicht uns einsichtig. Was uns einsichtig wird, ist immer Gestalt ohne Gehalt" (182) oder umgekehrt. Erst der Glaube erkennt: die Synthese ist uns unmöglich, wir können nur das eine oder das andere denken (182). Glaube, den man sich nicht selbst geben kann heißt: den göttlichen Gehalt des Wortes Gottes hören, obwohl uns schlechterdings nur seine welthafte Gestalt einsichtig ist; die welthafte Gestalt des Wortes Gottes hören, obwohl uns nur sein göttlicher Gehalt einsichtig ist. Johev: Vater/Sohn entspr. Gehalt/Gestalt in ihrer Verschiedenheit und Einheit.

theologia gloriae: gibt mit der Indirektheit des Wortes Gottes auch den Glauben und das wirklich Wort Gottes auf (185).

theologia crucis: durchbricht die Geradlinigkeit des menschlichen Denken (je eine Steigerung des Vorhandenen: Triumph, Verzweiflung etc.) von der Verzweiflung zum Triumph und umgekehrt. "Das Wort Gottes ist eines: In der Inanspruchnahme vollzieht sich die Zuwendung und die Zuwendung geschieht nicht ohne Inanspruchnahme. Indem der Mensch wirklich und ernstlich unter das Gesetz getan wird, kommt er zum Evangelium und indem er durch Offenbarung und Glaube zum Evangelium kommt, wird er wirklich und ernstlich unter das Gesetz getan. Gottes Zorn und Gericht ist nur die harte Schale, das opus alienum der göttlichen Gnade, aber gerade wer um Gnade, um das opus alienum weiß, der und nur der weiß, was Gottes Zorn und Gericht ist. Gerade der Buchstabe der Verkündigung und der Bibel ist der Träger des Geistes; aber gerade der Geist wird uns auch immer wieder zum Buchstaben zurückführen" (186f.).Exkurs zum Verhältnis von Ex 19f. und Jer 31,31f.; "...nur Sache des Glaubens sein, je im einen auch den anderen, im alten auch den neuen, im neuen auch den alten Bund in Geltung zu sehen." (187)

c) "Die Rede Gottes ist und bleibt Gottes Geheimnis in ihrer Geistlichkeit" (189): Der Heilige Geist, der Herr, der das Wort gibt, ist auch der, der den Glauben gibt. Dieser ist freilich auch menschliche Erfahrung. Daß die Erfahrung wirklich Erfahrung des Glaubens ist, entscheidet sich nicht am Glauben, sondern vom geglaubten Wort her. "Es gibt keine Methode, um die Offenbarung zur wirklich vernommenen Offenbarung zu machen, keine Methe einer wirklich pneumatischen…Exegese, vor allem auch keine keine Methode lebendiger, erwecklicher, die Zuhörer in einem letzten Sinn wirklich treffenden Verkündigung. Grund: der Geist ist es, das in aller Mittelbarkeit nur unmittelbar von Gott selbst her wirklich trifft. In seiner Geistlichkeit unterscheidet es sich endgültig von jeder bloßen Idee oder Hypostase. Neg.Bsp.: Tillich. Auch falsch: jede Methode grundsätzlich ablehnen (191). Das Suchen nach einem Gefäß menschlicher Erfahrung, das nun sicher für den göttlichen Inhalt wäre, ist ziellos. Eine "Methode des Hörens des Wortes Gottes" ist "als solche unmöglich, weil das Hören des Wortes Gottes der Glaube, der Glaube aber das Werk des Heiligen Geistes ist. Selbstverständlich liegen die mit jedem und so auch miot dem christlichen Glaubensbekenntnis verbundenen menschlichen Erfahrungen…als solche im Bereich der Humanität und können als solche bestimmt und gegen andere abgegrenzt werden. Sie liegen aber nicht im Bereich der Humanität, sofern der christliche Glaube Hören des Wortes Gottes ist." (193) Sie können im Bereich der Humanität nur bezeugt werden. Eduard Spranger, Führer in der deutschen Theologie, hierzu völlig naiv. (¬ 193)

"Also: Wie ist das Wort Gottes? Antwort: Es ist auf unseren Lippen und in unseren Herzen im Geheimnis des Geistes, der der Herr ist." (194)
 
 

§ 6 Die Erkennbarkeit des Wortes Gottes (194-261)

"Die Wirklichkeit des Wortes Gottes in allen seinen drei Gestalten gründet nur in sich selber. So kann auch seine Erkenntnis durch Menschen nur in seiner Anerkennung bestehen und diese Anerkennung kann nur durch es selbst wirklich und nur aus ihm selbst verständlich werden."

1. Die Frage nach der Erkennbarkeit des Wortes Gottes (194-198)

§ 3: im Begriff des Wortes Gottes den Inhalt der Verkündigung und das Kriterium der Dogmatik als wissenschaftlicher Prüfung der Verkündigung; § 4: drei Gestalten; § 5: Wesen dieser Größe (Gottes Rede, Tat, Geheimnis). Die Frage hier lautet: "Wie können Menschen das Wort Gottes erkennen?" (196). Dabei fragen wir 1. nicht nach der Wirklichkeit, sondern Möglichkeit solcher Erkenntnis; 2. geht es nicht um den Menschen überhaupt, sondern den in der Kirche, 3. fragen wir auch nicht, wie Christen das Wort Gottes erkennen, es sei denn mit dem Zusatz "die erwählten und berufenen", 4. muß die Möglichkeit jeder Korrektur offen bleiben (196-198).

2. Das Wort Gottes und der Mensch (198-206)

Es gibt im Menschen keinerlei Voraussetzung für das Ereignis des Wortes Gottes. Schleiermacher zusammengefaßt: "1. Die Begegnung des Menschen mit Gott ist zu verstehen als menschliches historisch-psychologisch feststellbares religiöses Erlebnis. Und 2. dieses Erlebnis ist zu verstehen als Aktualisierung eines allgemein aufweisbaren religiösen Vermögens des Menschen. Das sind…die Kardinalsätze der Religionsphilosophie des 19. und 20 Jahrhunderts. Entscheidend ist natürlich der zweite" (200). Das Ereignis des Wortes Gottes setzt auf seiten des Menschen nichts voraus, sondern verleiht die Möglichkeit, indem es Ereignis ist (201). Es ist Gottes freie, nicht des Menschen eigene Möglichkeit. "Gottes Wort ist nicht mehr Gnade oder Gnade ist selbst nicht mehr Gnade, wenn man dem Menschen eine Hinordnung zu diesem Wort, eine ihm selbständig und an sich eigene Erkenntnismöglichkeit diesem Wort gegenüber zuschreibt" (202). Hier bes. 1.Kor 2,6f. Des Cartesius/Cartesianismus (Wobbermin, Holl) müde, hüten wir uns, uns nun dem Aristoteteles oder dem Thomas in die Arme zu werfen (203). Die Selbstgewißheit in der Theologie ist auf die Gottesgewißheit zu gründen und nicht umgekehrt (204f.). Wort Gottes und Mensch auseinandergerissen? Unser "Ja" darf bei unserem "Nein" nicht überhört werden! – Die Sache, das Wort Gottes, ist keine Sache, sondern der lebendige persönliche und freie Gott (206).

3. Das Wort Gottes und die Erfahrung (207-239)

Erfahrung des Wortes Gottes ist die Bestimmheit der menschlichen Selbstbestimmung (= menschliche Existenz; Bestimmtheit des Gefühls, Willens, Intellekts) durch das Wort Gottes, also des ganzen sich selbst bestimmenden Menschen (213 u.a.). (Nicht nur gegen Semi- und Pelagianismus, sondern auch gegen Augustin S. 208.)

Die Erfahrung des Wortes Gottes besteht in der Anerkennung: 1. Erkenntnis, 2. Handeln von Person zu Person, 3. Sich zurechtfinden mit ihr, 4. Respektierung der im Wort Gottes geschehenden Tatsache, 5. unterwürfiges Gutheißen, 6. Entscheidung, 7. Zufriedenheit mit der Welthaftigkeit des Wortes Gottes, der ungeklärten Situation, 8. Bewegung (§ 5: "Einseitigkeit des WG"), 9. Autorität des Anderen (§ 5: "Geistlichkeit des WG"). Anerkennung besteht darin, daß sie nur Antwort sein will (217) – diese Erfahrung hört auf, Erfahrung zu sein. Erfahrung des Wortes Gottes ist möglich, aber bzgl. Sinn, Grund, Ernst und Gehalt nicht Erfahrung bzw. mehr als das ist (218).

Erfahrung des Wortes Gottes ist nicht so möglich, daß der Bestand menschlicher Möglichkeiten erweitert wird, sonst geht die immerwährende Abhängigkeit von Gottes Wort verloren, das Geben Gottes in der Erfahrung hört an einem bestimmten Punkt auf zu gelten, dann gilt plötzlich: homo capax verbi Dei (221). Abgelehnt wird nicht nur der direkte Cartesianismus (Gottesgewißheit in der Selbstgewißheit), sondern auch der indirekte (Gottesgewißheit in dem von Gott geschenkten Selbst): S. 224-239. Man kann seiner Sache nicht sicher sein, wenn man sie beim Gläubigen sucht. Die Erfahrung des Wortes Gottes ist anderen Erfahrungen zu ähnlich, unzulänglich, ja gänzlich verkehrt und aufs tiefste gefährdet, um sicher zu sein (228.231.237). "Die Möglichkeit der Erkenntnis des Wortes Gottes liegt im Worte Gottes und nirgends sonst" (234, auch summa S. 234). Das Ereignis steht in der Freiheit Gottes; Gnade wäre nicht Gnade, wenn Gott uns diese Wirklichkeit und mit ihr auch diese Möglichkeit des Wortes Gottes nicht schenken oder auch versagen könnte. Die Erkennbarkeit des Wortes Gottes steht und fällt also mit dem unserer Verfügung entzogenen Akt seiner wirklichen Erkenntnis" (235f.) (StarkerLuther-Beleg 236)

4. Das Wort Gottes und der Glaube (239-261)

Unter der Voraussetzung, daß die Gnade geschieht, fragen wir, wie sie geschieht. "Der Glaube – ... – ist die in der wirklichen Erkenntnis des Wortes Gottes stattfindende Ermöglichung dieser Erkenntnis" (239). Die Wirklichkeit der Erkenntnis Gottes ist der Glaube (240). Glaube ist Erfahrung, ein konkret feststellbarer zeitlicher Akt eines Menschen (240f.). Christus gibt sich dem Glauben zum Gegenstand. Anselm, Proslogion; Luther. "Luther sagt, daß im Glauben, bzw. im Irrglauben oder Unglauben des Menschen die Entscheidung darüber dalle, was für einen Gott er habe, daß der Mensch also immer den Gott habe, den er glaube. Damit nun aber keineswegs gesagt, daß der Glaube gewissermaßen der menschliche Gegenspieler des Wortes Gottes, daß das Verhältnis von Wort Gottes und Glaube das symmetrische zweier Partner…sei" (245). Zu fides qua/quae S. 248 theologiegeschichtlich.

Der Glaube ist keine Möglichkeit, die der Mensch zur wirklichen Erkenntnis mitbrächte (249). Er ist Geschenk, nicht inventarisierbar. Im Glauben haben Menschen wirkliche Erfahrung vom Wort Gottes und kein finitum non capax infiniti, auch kein peccator non capax verbi divini. Nicht auf eine menschliche Kapazität bezieht sich dieser Satz, sondern auf Menschen unter Voraussetzung ihrer völligen Inkapazität (250).

Im Glauben findet eine Gottförmigkeit statt, nicht: Vergottung, sondern Angepaßtsein des Menschen an das Wort Gottes. Er wird im Glauben geeignet, es zu hören, sonst wäre der Mensch nicht Subjekt des Glaubens. Schreiben wir aber dem Menschen irgendeine, und sei es eine verliehene Eignung zum Vernehmen des Glaubens zu, so besteht eine Gottförmigkeit. Vernehmen könnte nicht stattfinden, wenn es nicht einen Anknüpfungspunkt zwischen Gott und Mensch gäbe: das Ebenbild Gottes, das wir nicht mit Brunner in der gebliebenen Personalität und Humanität sehen können; dies ist durch den Fall vernichtet. "Was vom Ebenbild auch im sündigen Menschen erhalten ist, ist die recta natura, der als solcher eine rectitudo auch nicht potentialiter zuzuschreiben ist. Das Vermögen ist dem Menschen, wie es auch mit seiner Humanität und Personalität stehe, wirklich verloren gegangen. … Das Ebenbild Gottes im Menschen…ist das durch Christus vom wirklichen Tode zum Leben erweckte und so ‘wiederhergestellte’, die neugeschaffene rectitudo, nun wirklich als Möglichkeit des Menschen für das Wort Gottes. … Dieser Anknüpfungspunkt ist also nicht außerhalb des Glaubens, sondern nur im Glauben wirklich" (251). Christus ermöglicht also, indem er das Ebenbild Gottes im Menschen wiederbringt, das Hören des Wortes Gottes (254). Was von unten, als Erfahrung greifbar wird, ist an sich ein Hohlraum, der auch anders gefüllt sein könnte. Die Öffnung von oben bleibt uns verborgen; der Stab sieht im Wasser gebrochen aus, aber er ist wirklich da (256; vgl. 254: Beweis des Glaubens = seine Verkündigung, Beweis der Erkennbarkeit des Wortes = Bekenntnis dazu). Keine analogia entis, aber die analogia täs pisteos. Marheineke-Zitat… Unser letztes Wort: Gott handelt in seinem Wort am Menschen.

"Der Mensch ist Subjekt des Glaubens. Nicht Gott, sondern der Mensch glaubt. Aber gerade dieses Subjektsein des Menschen im Glauben ist eingeklammert als Prädikat des Subjektes Gott, so eingeklammert wie eben der Schöpfer sein Geschöpf, der barmherzige Gott den sündigen Menschen umklammert, d.h. aber so, daß es bei jenem Subjektsein des Menschen bleibt, und gerade dieses, gerade das Ich des Menschen als solches, nur noch von dem Du des Subjektes Gott her." (258)

Dies auf das Erkenntnisproblem angewandt: Gottes Wort wird erkennbar, indem es sich erkennbar macht. … Erstes und ursprüngliches Subjekt ist Gott. Nach Offb 3,20 muß der Mensch die Tür auftun (¬260), aber daß es geschieht, ist quoad actum und quoad potentiam Werk Christi; er geht durch verschlossene Türen (Joh 20,19f.)
 
 

§ 7 Das Wort Gottes, das Dogma und die Dogmatik (261-310)

"Dogmatik ist die kritische Frage nach dem Dogma, d.h. nach dem Worte Gottes in der kirchlichen Verkündigung oder konkret: nach der Übereinstimmung der von Menschen vollzogenen und zu vollziehenden kirchlichen Verkündigung mit der in der Schrift bezeugten Offenbarung. Prolegomena zur Dogmatik als Verständigung über deren Erkenntnisweg müssen darum bestehen in der Ausführung der Lehre von den drei Gestalten des Wortes Gottes als offenbarten, des geschriebenen und des verkündigten."

1. Das Problem der Dogmatik (261-291)

Aufgabe der Dogmatik w.o. Anfragen an Kulturprotestantismus, der das Wort Gottes durch andere Kriterien ersetzte: Woher weiß man, daß dieser Ersetzungsvorgang gut ist? Offenbarungstheologie gegen Historismus, der auch in der alten Leipziger und Erlanger Schule kräftig war (266f.). Die Kirche lebte weiter, wie die Bibel in ihr erhalten war, ihre Kritik , wenn auch leise, sagen konnte. Die Verflüchtigung des Wortes Gottes können wir nur als Gericht und Zorn Gottes, nicht als geistesgeschichtliches Schicksal ansehen; man kann da nur beten, daß der verborgene Gott das verlorene Maß wieder schenkt. Es ist ein großer Irrtum zu meinen, man könne die Kriterien wählen. Das Wort Gottes kann nicht durch andere Kriterien vikariiert werden (270). Zu beweisen ist das nicht; die Überlegenheit des Heiligen Geistes als Instanz ist unbeweisbar; dazu bräuchte man einen Standpunkt oberhalb von Verkündigung und Bibel (273). Hingewiesen werden kann nur auf das zeichenhafte Faktum der Bedeutung, die die Bibel im Leben der Kirche tatsächlich hat und nie ganz verloren hat (274ff.). Zeichen: kein Beweis; wir haben das Faktum vorgefunden.

Wir entscheiden uns für die Bibel als dem Wort Gottes: das absolute, nicht bloß relative Kriterium von Verkündigung und Dogmatik. Auf dieses verweisen wir "unverantwortlich. Will sagen: Wir haben es in keinem Sinn…zu verantworten, daß die Bibel wirklich Gottes Wort ist. Jedes Verantwortenwollen wäre hier Leugnung dessen, was man verantworten möchte. Wir können nicht mehr sagen als dies: die Bibel kann sich in dieser Sache selber verantworten" (278f.). Dies fällt uns zu; wir berufen uns nicht auf ein "ich kann nicht anders" oder proph. Erleuchung. Wir lassen die Bibel als absolute Instanz gegenüber der kirchlichen Verkündigung gelten (279f.). Die "Möglichkeit, des Wortes Gottes ansichtig zu werden als einer von der kirchlichen Verkündigung verschiedenen Größe, ist uns – wie wir sahen, in der Tat als Möglichkeit – gegeben in dem Faktum, daß in der Kirche die Bibel gelesen wird…" (280). Die Dogmatik ist theologia dogmatica, nicht Wissenschaft von den Dogmen, sondern vom Dogma (280). Einwand gegen den katholischen Dogmen- und Dogmatikbegriff (veritates a Deo formaliter revelata): in den Dogmen rede die (vergangene) Kirche, die die Wahrheit definiert, d.h. beschränkt; damit wird aus dem Wort Gottes Menschenwort. "Das Wort Gottes ist über dem Dogma wieder der Himmel über der Erde ist" (282). Die kirchlichen Dogmen können nicht die Form sein, in der die Kirche die Stimme von gegenüber hört, sondern Selbstgespräch. …

"Man kann also das Dogma definieren als die kirchliche Verkündigung, sofern sie mit der Bibel als dem Worte Gottes wirklich übereinstimmt" (283). Die wirklichen Ergebnisse der Dogmatik können selber nur Fragen sein [!!!]; erschiene das Dogma selbst, so wäre das Reich Gottes angebrochen. (284)

Evtl. frühe Fehlentwicklung: Begriff "Dogma" wurde von der biblischen Bedeutung "Befehl, Dekret" zu "Lehrsatz" (285); bedenklich ist die Gleichung veritas revelata mit Lehrsatz.

……

Sofern das kirchliche Dogma ein Befehl ist (¬ 288), ist es ein menschlicher Befehl von Sündern. …

In allem besteht ein Gehorsamsverhältnis der Kirche zu ihrem Herrn; die Kirche steht und fällt mit dem, wonach in der Dogmatik gefragt wird. "Wir treiben Dogmatik, weil wir, veranlaßt durch das Faktum der Bibel, die Frage nach dem Gehorsam der kirchlichen Verkündigung nicht loswerden. In der Frage nach dem Gehorsam ist dann auch die Frage nach ihrer Wahrheit beschlossen. Aber nur als Frage nach ihrem Gehorsam kann die Frage nach ihrer Wahrheit gestellt werden. Als Frage nach dem Gehorsam ist sie die Frage nach dem Dogma." (290f.)

2. Dogmatik als Wissenschaft (291-305)

Dogmatik = "Wissenschaft" (nicht vor einem fremden Forum!), weil sie 1. kein Interesse hat, sich den anderen menschlichen Erkenntnisbemühungen gegenüber abzusondern, 2. sie damit gegen einen Wissenschaftsbegriff protestiert, der ihre Art der Erkenntnisbemühung ausschließt, 3. sie eine verborgene Einheit aller menschlichen Erkenntnisbemühungen bzw. die Kirche als verborgenen aber wirklichen Raum aller menschlichen Erkenntnisbemühungen bejaht. Sie hat einen bestimmten Erkenntnisweg zu gehen und gegenüber sich selbst Rechenschaft abzulegen; in dieser dopp.Verpflichtung nach innen besteht ihre Bedeutung nach außen (291); ihre Ausgerichtetheit auf die Frage nach dem Dogma.

Reguläre Dogmatik: vollständig, deutlicher Erkenntnisweg, auf die Lehre hinzielend; irreguläre Dogmatik (häufiger): Traktate, Bibelkommentare, geschichtliche Darstellungen, Erbauungsliteratur (292-294).

Wissenschaftlichkeit der Dogmatik = ihre bes. Sachlichkeit, in ihrer Ausgerichtetheit auf die Frage nach dem Dogma. Hier soll reguläre Dogmatik versucht werden, womit dem Protestantismus eher geholfen sein könnte als mit vielen Irregularitäten (295).

Zur Entscheidung über die Wissenschaftlichkeit:

a) Die Dogmatik hat sich mit der kirchlichen Verkündigung, nicht mit irgendwelchen Denkproblemen zu beschäftigen (296). Keine in sich ruhende Metaphysik! Im Grunde eignet sich kein Satz der Dogmatik direkt zur Verkündigung, ist aber Zurüstung zu dieser, sonst bloß Gnosis (297).

b) Dogmatik ist nicht bloß historisches Referat, wenngleich die schlichte Anführung einer einzigen Bibel- oder Väterstelle mehr leisten kann als eingehende dialektische Erörterung (298f.). "Dogmatik wird unwissenschaftlich, wenn sie bequem wird." (298)

c) "Wissenschaftliche Dogmatik fragt – und damit kommen wir zum Entscheidenden – nach der Übereinstimmung der kirchlichen Verkündigung mit der in der Heiligen Schrift bezeugten Offenbarung" (299). Geistesgeschichtliche Kenntnisse (auch aus Psychologie, Historie, Ästhetik) sind zu verlangen; "Dogmatik ist tatsächlich eine ars unter anderen artes, lehrbar und lernbar wie diese, aber nun eben diejenige "Kunst", deren Gesetz uns an die Heilige Schrift als an das entscheidende Kriterium verweist, ohne dessen Geltung und Respektierung sie Pfuscherei wird" (301). Formal notwendig ist die Selbständigkeit der Theologie, aber der Ernst dieses Hinweises steht und fällt damit, daß in der Theologie faktisch auf die Schrift geachtet wird; "Schrifttheologie" (302).

"Dogmatische Arbeit…ist letztlich…eine Sache der Berufung." "Faktisch ist noch nie, auch nicht in der Reformation, eine eindeutig schriftmäßige, gar nicht auch von anderen Instanzen bestimmte Dogmatik auf den Plan getreten" (303). …

Das Schwert des göttlichen Urteils schwebt auch über unserem Haupt! (304)

3. Das Problem der dogmatischen Prolegomena (305-310; Ziel des §)

Bisher das Kriterium der Dogmatik bestimmt, noch nicht seine Anwendung. Das Kriterium: "Die mit der Schrift übereinstimmende kirchliche Verkündigung ist die Erfüllung des Begriffes des Dogmas, um dessen Erkenntnis die Dogmatik bemüht ist" (305f.). Wie ist der Erkenntnisweg zu einer kritischen Untersuchung der Übereinstimmung der Verkündigung mit der Heiligen Schrift? Dazu ist zu klären: a) die Lehre von der Heiligen Schrift, b) von der Verkündigung, c) vom Wort Gottes selbst. Letztere, der Begriff der Offenbarung muß uns den Schlüssel geben für die Beziehungen zwischen den ersten beiden, die in § 4 je für sich dargestellt wurden. Deshalb nunmehr der umgekehrte Weg: von der Offenbarung (Trinitätslehre und ihre Dogmengeschichte) zur Schrift zur Verkündigung, dem Ziel (308-310).
 
 

Zweites Kapitel: DIE OFFENBARUNG GOTTES

(KD I/1,311-514; KD I/2,1-504)

Erster Abschnitt: DER DREIEINIGE GOTT (KD I/1, 311-514)

§ 8 Gott in seiner Offenbarung (311-367)

"Gottes Wort ist Gott selbst in seiner Offenbarung. Denn Gott offenbart sich als der Herr und das bedeutet nach der Schrift für den Begriff der Offenbarung, daß Gott selbst in unzerstörter Einheit, aber auch in unzerstörter Verschiedenheit der Offenbarer, die Offenbarung und das Offenbarsein ist."

1. Die Stellung der Trinitätslehre in der Dogmatik (311-320)

1. Wer hat sich offenbart? 2. Wie geschieht das? 3. Was bewirkt dieses Geschehen am Menschen? (Die Bibel antwortet mit Verweis auf die Trinitätslehre.) – Gott offenbart sich durch sich selbst. Gott will sich nicht anders zeigen als im Daß und Wie seiner Offenbarung. In der Einheit und Verschiedenheit der Gottes in seiner in der Schrift bezeugten Offenbarung sind wir vor das Problem der Trinitätslehre gestellt (315).

Warum wir die Trinitätslehre (fast isoliert, aber immerhin mit Petr.Lomb. und Bonaventura) an den Anfang stellen, das allzu einleuchtende Schema: Wie erkennen wir Gott? — Ist ein Gott? — Was ist Gott? — zuletzt erst: Wer ist Gott? umdrehen: Die Trinitätslehre ist das am stärksten spezifisch christliche, die Dogmatik gewinnt ein Gefälle an Ernst, Einfach- und zugleich Verwickeltheit (318). Das Problem der Trinitätslehre ist uns bei der an die Bibel gerichteten Frage nach der Offenbarung begegnet. Wenn wir fragen: wer ist der sich offenbarende Gott? dann antwortet die Bibel so, daß wir zum Bedenken der Dreieinigkeit aufgefordert sind. Auch die anderen Fragen: Was tut und was wirkt dieser Gott? werden…zunächst mit neuen Antworten auf die erste Frage: Wer ist er? beantwortet. Das Problem der gleichen und doch verschiedenen…Antworten auf jene Fragen ist das Problem der Trinitätslehre. Das Problem der Offenbarung steht und fällt mit diesem Problem" (319).

2. Die Wurzel der Trinitätslehre (320-352): Die Herrschaft Gottes des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes – der biblische Offenbarungsbegriff selbst ist die Wurzel (353), ontisch und noetisch (321).

Gott offenbart sich als der Herr – ein analytisches Urteil, weshalb man die Unterscheidung von Form und Inhalt nicht auf den Offenbarungsbegriff anwenden kann. Offenbarung ist immer neu; aber immer die Ankündigung des Reiches Gottes (323).

Gottheit heißt biblisch Freiheit, ontische und noetische Eigenständigkeit (323).

"Wir verstehen unter der Trinitätslehre allgemein und vorläufig den Satz: Der, den die christliche Kirche Gott nennt und als Gott verkündigt, also der Gott, der sich nach dem Zeugnis der Schrift offenbart hat, ist in unzerstörter Einheit derselbe, aber auch in unzerstörter Verschiedenheit dreimal anders der derselbe." (324)

Die Trinitätslehre ist ein Satz der Kirche, nur indirekt ein Dokument der Offenbarung selber. Der Text der Trinitätslehre ist nicht etwa identisch mit einem Stück der Bibel. Sie übersetzt und interpretiert. Allerdings ist die Trinitätslehre das Verständnis des sich selbst offenbaren Gottes ("Selbstinterpretation"). So kommen wir bei der Analyse des Offenbarungsbegriffs (!!) zur Trinitätslehre; die Offenbarung muß recht als Grund der Trinitätslehre interpretiert werden. Jes 61,1f.; Mt 28,19; Röm 1,1-4; 1Petr 1,2; Apk 1,4; 2Kor 13,13; Mk 1,7; 1Kor 12,14 (330f.).

a) "Offenbarung bedeutet in der Bibel die Menschen zuteil werdende Selbstenthüllung des seinem Wesen nach dem Menschen unenthüllbaren Gottes." Er tut, was Menschen keinesfalls selbst können: er macht sich ihnen als Gott gegenwärtig, zu einem Gegenstand der Anschauung, zur Instanz und zum Faktor. Er wird in der Offenbarung sein eigener Doppelgänger; unableitbar aus dem übrigen Weltlauf. Dazu ereignet sich in Gott ein Neues (333). In Gestalt dessen, was er nicht ist, wird er noch einmal Gott (334). Die Freiheit Gottes besteht gerade darin, sich von sich selber zu unterscheiden, sich selber ungleich zu werden (337) und doch der gleiche zu bleiben.

b) Das Subjekt der Offenbarung, Gott ist seinem Wesen nach verhüllt, verborgen, f.d. Menschen nicht direkt erkennbar. "Er kann ihm aber auch nicht indirekt, in der geschaffenen Welt, enthüllbar sein, weil er der Heilige ist, den zu sehen, auch nur indirekt zu sehen, andere Augen nötig sind als unsere durch die Sünde verderbten." Jedem, dem die Offenbarung zuteil wird, wird gesagt, daß er nicht von sich aus könnte, was ihm zuteil wird. "So liegt es im Wesen dieses Gottes, daß er dem Menschen unenthüllbar ist. Wohlverstanden: in seinem offenbarten Wesen unenthüllbar. Gerade der Deus revelatus ist der Deus abconditus" (338).

Die Gestalt, das Mittel, tritt nicht an die Stelle Gottes. "Nicht die Gestalt offenbart, redet…, sondern Gott in der Gestalt. Es entsteht also damit, daß Gott Gestalt annimmt, kein Drittes zwischen Gott und Mensch."

c) Wohin geht die Offenbarung? Sie ist geschichtliches Ereignis (342f.), d.h. nicht: als geschichtlich (neutral) feststellbar oder gar festgestellt. Die Frage nach der "historischen" Gewißheit der in der Bibel bezeugten Offenbarung ist der Bibel völlig unangemessen. Angesichts der Offenbarung hört alle Neutralität auf. Die Offenbarung ist geschichtliches Ereignis, d.h. konkrete Beziehung zu einem konkreten Menschen (343). "Daß dieses Dort und Damals für uns historisch weithin im Dunkel liegt, daß die einzelnen Angaben, die die Bibel darüber macht, der historischen Kritik unterliegen, das ist bei Dokumenten einer Zeit und eines Kulturkreises, die eine historische Frage in unserem Sinn überhaupt nicht kannten, selbstverständlich, ganz abgesehen", daß historisches Interesse bei der Abfassung auch kaum eine Rolle gespielt hat. Mag die Bibel in "vielen Fällen, unbekümmert wie sie nun einmal in dieser Hinsicht ist, in ihren Angaben über das Dort und Damals, an den Maßstäben heutiger Historik gemessen, ‘irren’ – wichtig ist nicht der mehr oder weniger ‘richtige’ Inhalt, sondern die Tatsache dieser Angaben." Daß die Bibel mit der Offenbarung also Geschichte erzählt, ist wichtig. "Die Bibel als Zeugnis von Gottes Offenbarung hören, heißt unter allen Umständen: durch die Bibel von solcher gesch hören." Wichtiger Exkurs über Geschichtlichkeit der Schrift; Unterscheidung von einem allgemeinen und einem bes. (Offenbarungs-)Begriff von Geschichte. Jener kann bestritten werden, dieser nicht. Die Bibel mag Sagen und Legenden enthalten, nicht aber Mythen; dies würde ihre Substanz angreifen, weil sie sonst etwas schon vorher bekanntes Allgemeines enthielte.

Geschichtlichkeit auf Offenbarung bezogen: Ereignis als Faktum (einmalig und kontingent), oberhalb dessen es keine Instanz gibt. "Offenbarung geschieht senkrecht vom Himmel" (348), wie die Berufung der Propheten und Apostel vom Himmel fällt, vgl. Pfingsten: vom Menschen aus gesehen, fällt die Offenbarung senkrecht vom Himmel (350). Daß Gott das kann ("Ewigkeit in einem Augenblick"), ist der dritte Sinn der seiner Herrschaft in seiner Offenbarung.

3. Das vestigium trinitatis (352-367)

Man sagt: vestigium trinitatis in creatura – und meint doch: vestigia creaturae in trinitate. Das vestigium trinitatis ist abzulehnen, denn es gibt nur eine Wurzel der Trinitätslehre: die Offenbarung selbst (360f.); totaliter aliter (361). Die Lehre soll die Offenbarung interpretieren, nicht illustrieren (364). Sonst wird ein zweites neben die Offenbarung und in die Mitte der Aufmerksamkeit gestellt.
 
 

§ 9 Gottes Dreieinigkeit (367-404)

"Der Gott, der sich nach der Schrift offenbart, ist Einer in drei eigentümlichen, in ihren Beziehungen untereinander bestehenden Seinsweisen: Vater, Sohn und Heiliger Geist. So ist er der Herr, d.h. das Du, das dem menschlichen Ich entgegentritt und sich verbindet als das unauflösliche Subjekt und das ihm eben so und darin als sein Gott offenbar wird."

1. Die Einheit in der Dreiheit

2. Die Dreiheit in der Einheit

3. Die Dreieinigkeit

4. Der Sinn der Trinitätslehre [ohne/kaum Bezug zur Rechtfertigungslehre!]
 
 

§ 10 Gott der Vater (404-419)

"Der eine Gott offenbart sich nach der Schrift als der Schöpfer, d.h. als der Herr unseres Daseins. Er ist als solcher Gott unser Vater, weil er es als der Vater Gottes des Sohnes zuvor in sich selber ist."

1. Gott als Schöpfer

2. Der ewige Vater
 
 

§ 11 Gott der Sohn (419-470)

"Der eine Gott offenbart sich nach der Schrift als Versöhner, d.h. als der Herr mitten in unserer Feindschaft gegen ihn. Er ist als solcher der zu uns gekommene Sohn oder das uns gesagte Wort Gottes, weil er es als der Sohn oder das Wort Gottes des Vaters zuvor in sich selber ist."

1. Gott als Versöhner

2. Der ewige Sohn
 
 

§ 12 Gott der heilige Geist (470-514)

"Der eine Gott offenbart sich nach der Schrift als der Erlöser, d.h. als der Herr, der uns frei macht. Er ist als solcher der Heilige Geist, durch dessen Empfang wir Kinder Gottes werden, weil er es als der Geist der Liebe Gottes des Vaters und Gottes des Sohnes zuvor in sich selber ist."

1. Gott als Erlöser

2. Der ewige Geist (interessant: Abhandlung über das filioque)
 
 
 
 

Stefan Felber, Mai 1995