1. Rechtliche Fragen
Dabei stütze ich mich auf den Beitrag von Berthold Huber, Asylschutz
ist Menschenrecht. Asylrecht, Kirchenasyl und ziviler Ungehorsam aus juristischer
Sicht, in: Wolf-Dieter Just (Hg.), Asyl von unten.Kirchenasyl und ziviler
Ungehorsam - Ein Ratgeber, 1993, S 91-107
Kirchenasyl erfüllt mehrere Straftatbestände. Dabei ist zwischen
Kirchenasylgewährenden und ausreisepflichtigen AusländerIn zu
unterscheiden. EinE ausreisepflichtigeR AusländerIn wird mit bis zu
einem Jahr Freiheitsstrafe belegt, wenn sie/er sich ohne Aufenthaltsgenehmigung
oder Duldung aufhält. Den Kirchenasylgewährenden kann Anstiftung
angelastet werden, wenn der/die AusländerIn nicht von sich aus fest
entschlossen ist der Ausreiseplicht nicht nachzukommen. Daneben kommt der
Straftatbestand der Beihilfe ins Spiel, dabei ist ziemlich egal wie diese
Beihilfe aussieht: Gewährung von Unterkunft, Verleugnung des Aufenthalts
oder psychische Unterstützung. Desweiteren kann der/die Kirchenasylgewährenden
sich der Begünstigung und des Widerstandes gegen Vollsteckungsbeamte
strafbar machen. Soweit die rechtliche Seite.
Berufen können sich die Kirchenasylgewährenden auf Religions-
und Bekenntnisfreiheit. Der Art. 4 II GG garantiert das Recht des Einzelnen
"sein gesamtes Verhalten an den Lehren seines Glaubens auszurichten und
seiner inneren Glaubensüberzeugung gemäß zu handeln." Dies
gilt auch für jene Glaubensüberzeugungen, "die für eine
konkrete Lebenssituation eine ausschließlich religiöse Reaktionen
zwar nicht zwingend erfordern, diese Reaktion aber für das beste und
adäquate Mittel halten, um die Lebenslage nach der Glaubenshaltung
zu bewältigen." Dies bedeutet jedoch keinen Freibrief für jegliches
religiös oder gewissenmäßig motiviertes Handeln. Unter
Berufung auf die Religions- und Bekenntnisfreiheit lehnt sich der/die TäterIn
"...nicht aus mangelnder Rechtsgesinnung gegen die staatliche Rechtsordnung
auf... Er sieht sich aber in eine Grenzsituation gestellt, in der die allgemeine
Rechtsordnung mit dem persönlichen Glaubensgebot im Widerstreit tritt
und er fühlt die Verpflichtung, hier nicht dem höheren Gebot
des Glaubens zu folgen." Damit werden Kirchenasylgewährende, nicht
aber ausreisepflichtige AusländerInnen geschützt.
Eine Berufung auf das Widerstandsrecht Art. 20 IV GG kann nicht in
Anspruch genommen werden, da dieses Recht erst in Kraft tritt, "...wenn
die Verfassung selbst und damit auch der dieses Recht garantierende Art.
20 IV GG bereits faktisch außer Kraft gesetzt sind."
Es bleibt zuletzt nicht die Überlegung ob Kirchenasyl als ziviler
Ungehorsam zu billigen wäre. Ethisch ist dies zu billigen. Rechtlich
kommt dies nicht soweit zum Tragen, daß sich daraus Straffreiheit
ergäbe.
So bleibt Kirchenasyl als ultima ratio, d.h. nach Ausschöpfung
aller Rechtsmittel.
2. Geschichte des Kirchenasyls
Wolf-Dieter Just, Jeder Mensch ist ein Heiligtum, Kirchenasyl und ziviler
Ungehorsam aus theologischer und philosophischer Sicht, in: Wolf-Dieter
Just (Hg.), Asyl von unten. Kirchenasyl und ziviler Ungehorsam - Ein Ratgeber,
1993, S 72-90
Schon im 4.Jhd. ist bekannt, daß sich Verfolgte in die Kirchen
flüchteten, um vorübergehend Schutz zu finden. Auf dem Konzil
von Serdica 347 wurde bestimmt, daß "ausdrücklich das Institut
der Interzession als Pflicht der Kirche zum Eintreten für ungerecht
Verfolgte und zwar auch dann, wenn diese bereits von den staatlichen Gerichten
verurteilt sind..." festgeschrieben wird. Damit beeinflußt kirchliches
Denken und kirchliches Recht das weltliche Recht. Offizielle Anerkennung
erfuhr das kirchlichen Asyl durch das römische Recht 419. Darin wurde
der Schutz auf einen Umkreis von 50 Schritte von der Kirchentür festgelegt
und bestimmte Personenkreise wie Mörder, Ehebrecher und Entführern
von Jungfrauen, Heiden, Häretiker und Juden wurde ausgenommen.
Kirchlich fixiert wurde das Asylrecht auf dem Konzil von Orange 441.
Dort wurde festgeschrieben, daß Asylsuchende nicht auszuliefern sei,
sondern aufgrund der Würde der Stätte und der Beistandspflicht
zu verteidigen seien. Das Asyl soll den Priestern und Bischöfen die
Möglichkeit geben die Verfolgten einzutreten.
Im Mittelalter spielte das Asylrecht eine große Rolle, wobei
sich die beiden Gedanken der Heiligkeit des Stätte und der Beistandspflicht
durch hielten.
Im Hochmittelalter wurde das Asylrecht durch das kanonische Recht geregelt
und auf die Personengruppen Juden, Ungläubige und Häretiker ausgedehnt.
Durch die Opposition der Kirche gegen die Todesstrafe kam es um Ausnahmefälle
Kapitalverbrechen wie Mörder, Brandstifter und Hochverräter immer
wieder zu Konflikten mit dem Staat.
Im modernen Rechtsstaat wurde das kirchliche Asylrecht durch ein staatliches,
den einzelnen Bürger Rechtsschutz gewährendes Asylrecht ersetzt.
Dabei spielte die Säkularisierung eine gewichtige Rolle. Die katholische
Kirche hat bis in die Gegenwart hinein auf ein Kirchenasyl nicht verzichtet,
erst der codes iuris canonici von 1983 tut dies.
3. Biblische Betrachtung
Ich halte mich hier an Frank Crüsemann, Das Gottesvolk als Schutzraum.
Zum Biblischen Asyl und Fremdenrecht, seine religionsgeschichtlichen Hintergründe,
in: Wolf-Dieter Just (Hg.) Asyl von unten. Kirchenasyl und ziviler Ungehorsam
- Ein Ratgeber, S 48-71
Die biblische Begründung und Entwicklung des Asyls
4.1. AT: Schutz für Fremde bei ungerechtfertigter Blutrache bei
Tötungsdelikten. Der heilige Ort
spielt bei den Geboten zum Fremdenschutz keine Rolle -> Grundlage für
Asyl?
4.1.1 Asyl vom griechischen asula "Schutz vor Raub von Freiheit und
Eigentum". Verstoß gegen das Asyl ist ein sakraler Frevel und ist
gleichzusetzen mit der Rache der beleidigten Gottheit Zeus ist der Schützer
der Fremden. Tempelasyl in Israel: Ps231,5-6
4.1.2 Im AT Einschränkung des Asyls durch den König, der
in Jerusalem sein Recht über das Asylrecht stellt. 1Kön150ff,
213-15, 228-30. Ebenso in Griechenland und Rom, wo das Asylrecht von staats-
und wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten diktiertes und der diplomatischen
Anerkennungdurch Dekret bedürftiges Privileg war. In der Neuzeit besteht
der Staat grundsätzlich sein
Recht auch in sarkalen Räumen durchzusetzen.
4.1.3 Tempel als "Sammelbecken für allerlei Gesindel" Ayslmißbrauch
Jer71-15. Die Anwesenheit
Gottes gewährt Schutz unabhängig von menschlichen Verhalten
Ps46, 48 --> Rolle der Kirche bei der Flucht von Naziverbrechern. Zugangsbedingung
zum Asyl im AT Ps151, 243f ungestraft, Gerechtigkeit, Wahrheit, unverleumdet,
keine Zinsen nimmt, keine Bestechung gibt. Wer sich Gott sich nähert,
der muß kultische Reinheit, die ethischen und rechtlichen Forderungen
Gottes erfüllen. Vergebender Gott aber Vergebung setzt Erkenntnis
der Schuld und Wiedergutmachung voraus.
4.1.4 Schutz für Unschuldige. Diese Gruppe wird im Heiligtum Asyl
gewährt. Ex2113f. Gottes ist gerade nicht auf das Heiligtum beschränkt,
das gesamte profane Recht ist Instrument seiner Gerechtigkeit. Dtr19, Num35
und Jos20 jedoch Asyl nicht mehr an Heiligtum gebunden, sondern profane
Asylorte --> Profanisierung des Asylrechts, als Ersatz für Lokalheiligtümer.
Unterscheidung von absichtlicher und unabsichtlicher Tat im AT hat
die Rechtsgeschichte geprägt. So braucht heute kein Asyl mehr für
unabsichtlich begangene Taten gewährt werden. Asyl finden politisch,
rassisch oder religös Verfolgte, also ebenfalls unschuldig Verfolgte.
4.2. at-liche Fremdenrecht als Erweiterung des Asylrechts
4.2.1 Zwar Asyl auf unschuldige Täter beschränkt, dafür
Entwicklung von Fremdenrecht als Schutz. Auf der Erfahrung von Fremdheit
und Flucht so z.B. Abraham, Joseph, Mose, Maria und Joseph mitsamt
Jesus Ex265-9: "Mein Vater war ein Aramäer, dem Umkommen nahe, und
zog hinab nach Ägypten und waren dort Fremdlinge mit wenig Leuten... Aber
die Ägypter behandelten uns schlecht... Da schrien wir zum HErrn... und
führte uns aus Ägypten..." wird mit dem Fremdenrecht als Schutz geantwortet.
Ver bzw. Überschuldung --> Verbot der Zinsnahme, Sabbatjahr
Sklaven --> Schuldsklaven, nach 7. Jahr Freilassung
oder mit Dtr1512ff
Niederlassungsrecht, kein Zugriff für seinen Herrn
Fremde --> Ex2220, 239 Fremde zum Maßstab zum Sozialverhalten,
an dem Recht und Gerechtigkeit einer Gesellschaft
gemessen werden kann.
4.2.2 Wer sind die Fremden? ger = Fremder, bezeichnet Menschen, die
sich längerfristig an Orten aufhalten, zu denen sie keine verwandschaftlichen
oder grundbesitzlichen Bindungen haben. Dieser Begriff liegt quer zur Frage
der nationalen Zugehörigkeit. Zwei Gründe gelten damals wie Heute
um Fremde/Flüchtling zu werden: Hunger und Krieg, d.h. sog. Wirtschaftsflüchtling
4.2.3. Theologische Argumentationen
4.2.3.1 Verweis auf eigene Erfahrungen //zum Asylrecht im GG nach dem
3. Reich Ex2220, 239. Das Dtn lange nach dem Exodus. Exodus ist Tradition.
Heute: Gott als Befreier erfahren zu haben. Wohlstand teilen nicht bewahren.
4.2.3.2 Die Liebe Gottes Schutz der Flüchtlinge und der Exodus
beides hat seine Wurzeln in der Liebe Gottes. Dtr1017-19 Heute: Liebe von
Gott erfahren, Liebe nicht als Gefühl, sondern Loyalität.
4.2.3.3 Gegenwart Gottes Lev1933f, 2422
5. Ethische Überlegungen
Nach Wolf-Dieter Just, Vom Asyl im Kirchenhaus und zivilen Ungehorsam.
Können Christen für sich eine Sondermoral beanspruchen? / biblisch-theologische
Überlegungen, in: FR 16.12.1992, 18ff
Gegebenheit ist der moderne, säkulare Rechtsstaat und nicht mehr
das Mittelalter oder das hellenistisch-römische Recht. D.h. die Gesetze
und Ordnungen des Rechtsstaates gelten allgemein und überall im Staatsgebiet.
Es gibt zwar eine kirchliche Autonomie - durch Staats-Kirchen-Vertrag und
Konkordat geregelt - diese gilt jedoch nicht im Bereich des Asyls. Deshalb
ist das Kirchenasyl umstritten erinnert sei hier an Röm 13. Tatsächlich
gilt die Pflicht zur Rechtsbefolgung auch für Christen. Sinn und Zweck
des Staates ist ein Mindestmaß an Ordnung zu gewährleisten.
Dies ist auch reformatorischer Konsens. Aber die Regierenden sind auch
nur Menschen und als solche fehlbar und somit kritisierbar. Bei Machtmißbrauch,
Unterdrückung und Ausbeutung durch die Regierenden besteht die Pflicht
zum Ungehorsam Art 20 IV GG und Apg529: "Man muß Gott mehr gehorchen
als den Menschen." Widerspruch kann im zivilen Ungehorsam oder im Widerstand
geschehen. Das Widerstandrecht Art. 20 IV GG gilt jedoch nur, wie wir hörten,
bei der Aufhebung der Verfassung, d.h. es bleibt der zivile Ungehorsam
als einzig mögliche Widerspruchform. Zum Kirchenasyl: Hier geht es
um Einzelmaßnahmen von staatlicher Seite, deren Vereinbarkeit mit
christlichen Grundsätzen in Frage stehen. In der EKD- Demokratiedenkschrift
heißt es: "Zum freiheitlichen Charakter einer Demokratie gehört
es, daß die Gewissensbedenken der Bürgerinnen und Bürger
gewürdigt und geachtet werden. Auch wenn sie rechtswidrig sind und
den dafür vorgesehenen Sanktionen unterliegen, müssen sie als
Aufgabe an Inhalt und Form demokratischer Entscheidungen ernstgenommen
werden." Da eine christliche Sondermoral in einem säkularen Staat
schwer zu vermitteln ist, gelten die allgemeinen Maßstäbe z.B.
Menschenrechte. Menschenrechte sind zu einer unveränderlichen Fundamentalnorm
geworden. Im GG ist die Unantastbarkeit der Menschenrechte zum obersten
Gebot erhoben. Diese gelten nicht nur für Deutsche, sondern für
jeden Menschen in unserem Land.
Definition von zivilen Ungehorsam nach John Rawl: Ziviler Ungehorsam
ist in einer Demokratie "...eine öffentliche und gewaltlose Handlung,
die im Saat mit dem Gewissen, aber im Widerspruch zum Gesetz steht und
gewöhnlich mit der Absicht vollzogen wird, einen Wandel in den Maßnahmen
oder Gesetzen der Regierung herbeizuführen." Bürgerlicher Ungehorsam
"...beruht also auf politischer Überzeugung... Deshalb kann man diese
Handlung so verstehen, als sei sie an den Gerechtigkeitssinn der Mehrheit
gerichtet, um sie dazu zu bringen, von neuem über die Maßnahmen
nachzudenken, gegen die protestiert wird..."
Damit ist der zivile Ungehorsam
1. öffentliche Handlung mit dem Ziel des Handelns von Maßnahmen
und Gesetzen, hier: gerechter Asylpolitik,
2. gewaltlos
3. im Widerspruch zum Gesetz, aber im Einklang mit dem Gewissen, fern
ab von Eigeninteressen,
4. ein Appell an den Gerechtigkeitssinn der Allgemeinheit, hier Unantastbarkeit
der Menschenwürde und unveräußerlicher Menschenrechte
5. ein Appell an einen allgemein anerkannten Maßstab
Referat zum Kirchenasyl
im Seminar Multikulturelle Gesellschaft
bei Prof. Chr. Elsas und Prof. W. Nethöfel
gehalten von Matthias Fein
Thesenpapier
1. Notiz in der FR vom 17.5.94
--> Kirche kein rechtsfreier Raum; Kirchenasyl ist Gewissensentscheidung
jedes/jeder Einzelnen.
2. Rechtliche Fragen
AusreisepflichtigeR AusländerIn bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe,
wenn ohne Aufenthaltsgeneh migung oder Duldung
Kirchenasylgewährenden können bestraft wertden wegen Anstiftung,
Beihilfe, Begünstigung und Widerstandes gegen die Vollstreckungsbeamten
Zur Verteidigung kann man sich berufen auf Religions- und Bekenntnisfreiheit.
Art. 4 II GG
Berufung auf das Widerstandsrecht kann nicht in Anspruch genommen werden,
aber ziviler Ungehorsam. Dabei kann Kirchenasyl immer nur als ultima ratio
verstanden werden, d.h. nach Ausschöpfung aller Rechtsmittel.
3. Geschichte des Kirchenasyls
Konzil von Serdica 347 wurde bestimmt, daß "ausdrücklich
das Institut der Interzession als Pflicht der Kirche zum Eintreten für
ungerecht Verfolgte und zwar auch dann, wenn diese bereits von den staatlichen
Gerichten verurteilt sind..." festgeschrieben wird. Offizielle Anerkennung
kirchlichen Asyls durch das römische Recht 419.
Kirchlich fixiert auf dem Konzil von Orange 441.
Mittelalter Asylrecht große Rolle, Heiligkeit des Stätte
und der Beistandspflicht durch hielten.
Hochmittelalter durch das kanonische Recht geregelt, Ausdehnung Juden,
Ungläubige und Häretiker.
Im modernen Rechtsstaat wurde das kirchliche Asylrecht durch ein staatliches
Asylrecht ersetzt. Die katholische Kriche hat bis in die Gegenwart hinein
auf ein Kirchenasyl nicht verzichtet, erst der codes iuris canonici von
1983 tut dies.
4. Ethische Überlegungen
1. öffentliche Handlung mit dem Ziel des Wandels von Maßnahmen
und Gesetzen, hier: gerechter
Asylpolitik
2. gewaltlos
3. im Widerspruch zum Gesetz, aber im Einklang mit dem Gewissen, fern
ab von eigenen Interessen
4. ein Appell an den Gerechtigkeitssinn der Allgemeinheit, hier Unantasbarkeit
der Menschenwürde und unveraußerliches Menschenrechte
5. ein Appell an einen allgemein anerkannten Maßstab