Psalmen Hans Jochen Boecker

1 Gattungbestimmung
Drei Kriterien für eine Gattung nach Gunkel: Gedanken und Stimmungen, Formsprache und Sitz im Leben. D.h. Form, Inhalt und Sitz im Leben müssen gleichermaßen berücksichtigt werden um Gattung richtig zu bestimmen.
1.1 Königspsalmen
lassen aber bei Gunkel diese Kriterien vermissen, da sie von Form Herkunft und Funktion sehr unterschiedlich sind und somit nach Gunkel eigentlich keine Gattung.
1.2 Andere Psalmengruppen

Schöpfungspsalmen Ps 8, 19a, 29, 104
Gesetzespsalmen Ps1, 19B, 119
Bußpsalmen Ps 6, 32, 51, 102, 130, 143

Hierbei ist der Inhalt der Psalmen und nicht die Gattung für die Zuordnung ausschlaggebend.

1.2 Sitz im Leben
ist bei der überwiegenden Mehrheit der Psalmen der Gottesdienstliche Gebrauch. Ebenso für Hymnen, Volksklagelied, Danklied des Einzelnen. Beim Klagelied des Einzelnen hatte Gunkel Bedenken.
Erst Mowinckel hat diese Gattung dem gottesdienstlichen Gebrauch zu gewiesen. Die Gegenwärtige Psalmenforschung betreibt neben der Darstellung der literarischen Form vorallem soziokulturelle Forschung.
1.3 Psalmen außerhalb des Psalters
Neben Psalter und Threni (=Klagelieder) stehen Psalmen eingefügt in verschiedenen Erzählungen, d.h. sie sind als bekannte und bereits formulierte Größen übernommen und mit einem bestimmten historischen Situation verbunden worden somit konnten sie sich vom eigentliche Sitz im Leben lösen.

Das Lied des Mose Dtn321-43
Schilfmeerlied Ex151-18
Mirjamlied  Ex1521b
Deboralied  Ri51-31
Hannapsalm 1Sam21-10
Davids Klagelied
 über Saulus und
Johnatans Tod 2Sam119-27
Hiskiapsalm Jer3810-20
Jonapsalm  Jon223-10

1.4 Herkunft/Parallelen
gibt es im sumerisch-akkadischen Bereich, dort parallele Grundstruktur bei Klagepsalmen,
aber auch noch erkennbar in Lobespsalmen, im babylonischen Bereich und im ägyptischen Bereich Ps 104//Sonnenhymnus des Echnaton.
2 Hermann Gunkels Definition des Hymnus
Bsp. Mirjamlied Ex 1520f
Ein Hymnus besteht aus Einführung, Hauptstück und Hymnenschluß

Einführung  Imp.pl.  Aufforderung
   Koh.pl.  Selbstaufforderung
Hauptteil  ki  Begrüdnung, eigentlicher Inhalt
Hymnenschlluß wenn,  dann Aufnahme der Einführung, Rahmung

3 Claus Westermann
Neue Definition des Dankpsalms, da es im hebräischen keinen unterschied zwischen loben und danken gibt. Von daher inhaltliche Differenzierung der innerhalb der Lobpsalmen.
3.1 Berichtende Lobpsalmen
sind inhaltlich durch eine einmalige Tat Gottes gekennzeichnet und sind im wesentlichen mit Gunkels Danklieder Israels dekungsgleich.
3.2 Beschreibende Lobpsalmen
Inhaltlich durch ein allumfassendes Loben Gottes, im Ganzen seines Handelns und Seins, gekennzeichnet. Grundmotiv ist das Mächtigsein JHWHs über uns und die Wirklichkeit der Gnade und der Treue Gottes.
3.3 Beziehungen untereinander
Der beschreibende Lobpsalm sagt das zusammenfassend und allgemeingültig aus, was im berichtenden Lob als einmalige Rettungstat gepriesen wird.
4 Frank Crüsemann
macht die Gattungsunterscheidung auf rein formaler sprach- und sinnstruktureller Analyse der Hymnen
4.1 Imperativischen Hymnus

Gottesname mi Imperativ Plural...
ki...

 damit ist nicht nur die Aufforderung zum Lobpreis gemeint, sonder die Bezeichnung bezieht sich auf den gesamten Hymnus.Bsp. Mirjamlied Das formtypische ki deutet Crüsemann als Vollzug der Aufforderung und übersetzt es mit ja.
Dieser Typus des Hymnus ist der eigentliche israelitische Hymnus, da parallellos. Sitz im Leben des Mirjamliedes ist der gottesdienstliche Gebrauch. Bsp. Ps 117 strukturelle Parallelen, aber inhaltlich völlig verschieden. Ps 117 Aufruf an die Völker der Welt, aber trotzdem ist der Lobinhalt Gottes Handeln an seinem Volk Israel. Sitz im Leben wohl kaum im Gottesdienst.
4.2 Partizipaler Hymnus

Gottesname mit Partiipreihung

Der partizpiale Hymnus ist in seiner reinen Form nicht erhalten. Dennoch ist es Crüsemann gelungen seine Existenz und Besonderheiten aufgrund anderer Texte vorallem Dtjes nachzuweisen. Es gibt in der israelitischen Umwelt viele Parallelen. Deren Inhalt sind göttliches Tun in der Natur und am Menschen. Güte und Gerechtigkeit Gottes, Eingreifen zugunsten der Unterdrückten und Schwachen u.a.m.. Israel übernimmt dies und reklamiert sie für JHWH.
4.3 Beziehungen untereinander
Die Verbindung von imperativischen und partizipialen Hymnus stellt für Crüsemann für die Formgeschichte des israelitischen Hymnus ein zentrales Ereignis dar. Diese Verbindung erfolgt erst nachexilisch.
4.4 Jahwe-anredender Hymnus des Einzelnen
Diese Gattung führt Crüsemann ein, allerdings ist sie kaum als Gattung zu beschreiben, da ihre Form- und Traditionsvielfalt sehr groß ist.
4.5 Danklied

Anrede:      JHWH in der 2. Person Singular
Bericht über JHWHs Tun an die anwesenden Zuhörer  JHWH in der 3. Person Sinuglar

Gegen Westermann, der behauptete ein Danklied sei nicht zu belegen, behauptet Crüsemann das Gegenteil. Mit dem Trick übers Deutsche jadah = danken gelingt ihm das auch. Allerdings ist nur das Danklied des Einzelnen belegt. Formale Eigenart ist der Wechsel des Adressaten. Sitz im Leben ist die Opferfeier.
5 Thronbesteigungspsalmen

Jahwe malak

Umstritten ob es sie gibt, da in Frage steht ob ein Thronbesteigungsfest JHWHs in Jerusalem gab. Bei Bestreitung heißen die dann Jahwe-Königs-Psalmen.
Mowinckel übersetzt dies mit "Jahwe ist König geworden" und geht dabei von einer kultischen Thronbesteigungsfest aus. Anders: Kraus: er bestreitet ein Thronbesteigungsfest und versucht diese Psalmengattung als von Dtjes abhängig nachzuweisen. Erst später ist er von der These abgerückt und übersetzt jahwe malak mit "Von Jahwe gilt: er ist König"
6 Klagelieder

Anrufung JHWHs
Klage:  Warum? Wielange? Was? Schilderung der Not des Betenden
Bitte:  mit anderen Elementen verbunden. Imperativ mit positiven und    negativen Wünschen, dann Jussiv meist in 3. Person

Die Anrufung Jahwes kann innerhalb des Psalms wiederholt sein. Die Klage ist inhaltlich wie formal sehr unterschiedlich. Die Not ist Angst, Verstörtsein, Krankheit und Todesnot, Rechtsnot, aber auch Feinde werden genannt. Es ist oft ein Stimmungsumschwung in der Klage des Einzelnen festzustellen. Lösungsmöglichkeiten: * Umschwung durch selbstständigen Psalm, *Psalm nicht in der Notsituation gesprochen, sondern nach überstandener Not als Bekenntnis des Geretteten der Gemeinde vorgetragen, *durch göttliches Heilsorakel mit der Erhörung der Bitte, *Stimmungsumschwung als Fiktion, es muß futurisch als perfectum confidentiae übersetzt werden.
Das Klagelied des Volkes ist strukturell gleich aufgebaut wie das Klagelied des Einzelnen, jedoch kommt statt 1.p.sg natürlich 1.p.pl vor. Sitz im Leben ist die öffentliche Klagefeier.