Martin Metzger
Vorlesungsskript
Geschichte Israels
Gunther Wanke1. Exils 587 bis Wiederaufbau des Tempels 515
Durch die Katastrophe des Exils wurden die vorexilischen Glaubensüberlieferungen
völlig in Frage gestellt (Exodus, Landnahme, Davids- und Zionserwählung).
Dennoch wurden sie den großen Geschichtswerken zugrunde gelegt und
haben einen Beitrag zur Bewältigung der Katastrophe geleistet durch
die neu Interpretation der Themen.
1.1 Die Klageliede
In den Klageliedern (Thr) wird Jahwe als der Herr des Geschehens dargestellt.
Er hat Unheil bewirkt als ein Gericht über die Sünde und den
Abfall Israels. Die Umkehr ist Vorraussetzung. Deshalb sind Bekenntnis
der Schuld und Ruf zur Buße wesentliche Bestandteile der Klageliturgie.
In Thr 16,19 gilt die Klage den Angehörigen der führenden Schichten,
Thr 14,10, 21,2,7-9 blickt auf den zerstörten Tempel und die Befestigungsmauern,
in Thr 411,12 und Ps 46 und 48 sind die Gründe und das Ausmaß
der Trauer nachzulesen. Die Selbstanklage tritt hinter die Anklage der
gegenwärtigen Situation. Der strenge Bezug auf Jahwe als Urheber
der Katastrophe eröffnet die Möglichkeit, ihn um Hilfe zu bitten,
schließlich sogar die Möglichkeit, daß sich ein Lichtblick
von Heilshoffnung zeigt.
1.2 Das DtrG
Das deuteronomistische Geschichtswerk (DtrG) ist Bekenntnis zur Macht,
zur Treue und Geduld Jahwes, es ist gleichzeitig der eigenen Schuld, die
Generalbeichte Israels, es ist aber auch ein Ruf zur Buße und Umkehr.
Es ist eine Anerkennung des erlittenen Unheils im Sinne der Gerichtsdoxologie
ohne jede Zukunftsperspektive, Eröffnung der Umkehrmöglichkeit
und der Hoffnung auf Rückkehr. Die Gesamtleistung von DtrG ist die
Darstellung der vorexilischen Geschichte die Gegenwart fest in die Vergangenheit
eingewurzelt zu haben und dadurch Zukunft erschlossen zu haben. Umstritten
ist ob es im DtrG Hoffnung gibt oder nicht.
1.3 Neuinterpretation der vorexilischen Propheten
Durch die Neuinterpretation der vorexilischen Propheten erweist sich
Jahwe als der der sein Gericht erfüllt und die politischen Mächte
für sein Handeln benutzt, Jahwe ist der geschichtsmächtige Gott.
1.4 Deuterojesaja
Deuterojesaja (Dtrjes) schlägt einen Ton des Trostes und der Heilszusage
an. Dabei setzt Dtrjes das Exil als Gericht über die Sünde Israels
voraus. Aber Jahwe wird ein Neues wirken. Wie die Gerichtssdrohungen eingetroffen
sind, so werden sich auch die Verheißungen erfüllen. Jahwe hat
seinem Volk vergeben. Es wird zu einem 2. Exodus kommen.
1.5 Die Priesterschrift
Die Priesterschrift (siehe auch § 7 Der Pentateuch) verankert
die exilischen kultischen Institutionen wie Sabbat, Schächten und
Beschneidung als göttliche Setzung. Ziel der Priesterschrift ist es
kultische Traditionen zu sammeln und sie als göttliche Setzung in
der Geschichte zu begründen. Das Heiligtum wird nicht als fester Ort
wie Jerusalem als Wohnsitz Gottes aufgefaßt, sondern als Ort an dem
aus er redet und Israel begegnet. P sieht in der Kultordnung die Gegenwart
Gottes. Das Opfer wird als Sühnenhandlung betrachtet. Im Exil erfahren
kultische Handlungen wie Beschneidung und Sabbat-Halten bekenntnishafte
Züge und werden somit zu Identifikationsmerkmalen.
2. Die Reformmaßnahmen Esras und Nehemias
2.1 Literarische und zeitliche Probleme
Es sind drei Schichten in den chronistischen Büchern Esra und
Nehemia zu unterscheiden: dokumentarische Quellen, chronistische Darstellung
und nach chronistische Ergänzungen und Überarbeitungen.
Probleme ergeben sich bei der Datierung von Esra:
1. Esra und Nehemia wirkten gleichzeitig und während der Abwesenheit
Nehemias unter
Ataxeres I (465-424) Albright, Bright und S. Herrmann
2. Esra wirkte nach Nehemia unter Ataxeres I (465-424) Noth
3. Esra wirkte nach Nehemia unter Ataxeres II (405-359) Fohrer
4. Esra wirkte vor Nehemia unter Ataxeres I (465-424) Gunneweg Kittel
5. Esra wirkte zwischen dem 1. und 2. Jerusalemaufenthalt Nehemias
Am häufigsten wird 2+3 vertreten. Gründe: Nur die verläßlichen
dokumentarischen Quellen sollen zur Datierung herangezogen werden Esr 712-26,
826-27 und die sog. Nehemia-Memoiren Neh 11-75, 111f und 134-31. Argument
ist, daß selbst bei großem zeitlichem Abstand der chronistische
Verfasser die Dinge nicht so durcheinander gebracht haben könne, also
müße es "wahr" sein.
2.2 soziopolitisch-ökonomische Spannungen
Kleinbauern werden durch Mißernten in die Schuldsklaverei getrieben,
die bedeutet gleichzeitig eine Verarmungs- und Verelendungswelle der eh
schon armen, gleichzeitig werden die latifundienbesitzende Oberschicht
immer reicher und die außerökonomische Macht nimmt zu. Diese
Spannungen resultieren aus dem Grundsteuerabgaben und der fast ausschließlichen
landwirtschaftliche Produktionsweise, aus dem Zwang der Überschußproduktion
und der Abhängigkeit von Händlern. Ein nicht geringes Problem
bereiteten die ins Land zurückkehrenden Ex-Exilanten. Es gab eine
Teilung der interne Selbstverwaltung in priesterliche und aristokratische
Leitungsorgan.
2.3 Religiös-kultische Mißstände
Vorallem aus Mal 16-29,36-12 erschlossen: Vergehen gegen die Ehe, Versäumnisse
der Leviten, Zweifel an der Notwendigkeit religiöser Treue.
2.4 Esra und Nehemia
Esras Auftrag umfaßt zwei Maßnahmen Gesetz und Tempel.
Wie allerdings dieses Gesetz aussah da streiten sich die Experten. Nach
J.M.Schmidt hat es Anklänge an das dtn-dtr Gesetzesüberlieferungen.
Nehemias Auftrag hatte einen politischen Hintergrund: Die Wehrlosigkeit
Jerusalems an der Südwestflanke des Perser-Reiches Neh 13, 23,12-17,17,
31ff. Also Aufbau und Befestigung Jerusalems gleichzeitig wurde Jerusalem
Hauptstadt einer eigenständigen Provinz und Nehemia Statthalter von
Juda. Daneben ergriff Nehemia auch kultische, soziale, bevölkerungspolitische
und wirtschaftliche Maßnahmen
Durch ihr wirken ermöglichten Esra und Nehemia dem nachexilischen
Israel eine neue politische, soziale und religiös-kultische Lebensgrundlage.
3. Der Freiheitskampf der Makkabäer
Es kam unter Antiochus IV 175-163 zur Auseinandersetzung zwischen hellenisierten
und gesetzestreuen Juden. Auf Dauer war ein Konflikt nicht vermeidbar.
Anlaß war das eigenmächtige Eingreifen des seleukidischen Königs
in die innersten Angelegenheiten der Jerusalemer Kultgemeinde durch das
Ein- und dann wieder Absetzen des Hohenpriesters, wobei der König
einen nicht zadokischen Priesters einsetzte, was als Sakrileg bei den Gesetzestreuen
angesehen werden mußte. Weitere Maßnahmen erschienen den Gesetzestreuen
als status confessionis: *Gymnasium in Jerusalem,*Verbot des Jahwekultes
*Einführung des Zeus Olympius
Bickermann: "Die Religionsverfolgung...ging...von einer Partei...,die
eine Reform des Glaubens der Väter im Sinne einer Abkehr vom Einzigkeitsglauben
erstrebte, ohne daß sie dadurch den Gott der Väter ganz verlassen
und Zion untreu werden wollte" Eine politische Integration der gesetzestreuen
Kreis mit Tolerierung ihres Glaubens wäre letzlich unvereinbar. J.M.Schmidt
meint daß die Gründe der Religionsverfolgung zum einen in der
seleukidischen Machtpolitik, andererseits im innerjüdischen Konflikt
zwischen hellenistischem "Reformjudentum" und Gesetzestreuen liegt.
Daraufhin kam es zu den Makkabäer-Aufständen (175-135) in
deren Verlauf nach Wiedereinsetzung eines legitimen Hohenpriesters Alkimus
(162) sich die Asidäer von der Bewegung abspalteten und den Kampf
für sich als beendet ansahen. Den Makkabäern ging es jetzt um
die ganze Macht. Als es Thronstreitigkeiten bei den Seleukiden gab, wurde
Jonantan zum Hohenpriester (152) ernannt, und wenig später wurde er
zum Feldherr und Teilherrscher ernannt. Erst Simon begründete die
Dynastie der Hasmonäer (143/42)